Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, die gesamtwirtschaftlichen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung bis 2025 auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts zu erhöhen. Die Erreichung dieses Ziels wäre ein wichtiger Beitrag, um Deutschland näher an die Spitzengruppe der innovativsten Länder heranzuführen. Die neue Hightech-Strategie 2025 setzt den Rahmen, um dieses Ziel zu erreichen. Sie enthält wichtige und richtige Ansatzpunkte, wie die Orientierung an großen gesellschaftlichen Herausforderungen, einen breiten Blick auf die notwendigen Rahmenbedingungen – insbesondere die Fachkräftebasis – und neue Impulse für Forschung und Innovation. Entscheidend ist, dass die Umsetzung rasch und schwungvoll erfolgt, ansonsten wird das Ziel verfehlt:
Trotz nicht unerheblicher Reformbemühungen lässt sich eine positive Dynamik im Wissenschaftsbereich kaum erkennen. Zwar erreicht Deutschland mit 63 Punkten im Subindikator Wissenschaft einen passablen Wert, allerdings liegt Deutschland damit nur auf Platz 10. Ein wichtiger Schritt zur Verbesserung des Wissenschaftssystems war die Implementierung der Exzellenzinitiative 2005/2006 und ihre Verlängerung ab 2011/2012. Ab 2019 wird sie durch die Exzellenzstrategie abgelöst. Die verausgabten Mittel in der Exzellenzinitiative erscheinen mit 2,7 Milliarden Euro zunächst hoch. Allerdings relativiert sich dieses Bild sehr schnell, wenn man berücksichtigt, dass diese Mittel sich auf die gesamte Laufzeit von 2012 bis 2017 beziehen. Verglichen mit dem Jahresbudget der ETH Zürich von umgerechnet circa 1,6 Milliarden Euro beziehungsweise des MIT mit circa 2,9 Milliarden Euro scheint das gesamte Fördervolumen doch sehr kleinteilig. Einige Untersuchungen scheinen zu belegen, dass die Finanzierung aus der Exzellenzinitiative in den geförderten Universitäten zwar die Quantität, nicht aber die Qualität der Forschungsleistungen substanziell gesteigert hat.1 Für ein Programm, das sich die Schaffung von weltweit sichtbaren Leuchttürmen zum Ziel gesetzt hat, ist das zu wenig. Verbesserungen, die über das Halten des derzeitigen Niveaus spürbar hinausgehen, werden nur erzielbar sein, wenn die Förderung volumenmäßig deutlich ausgeweitet wird. Dabei sollte insbesondere auch die stärkere Differenzierung der Hochschulen nach ihrer Leistungsfähigkeit ein starkes Gewicht haben. Es steht zu vermuten, dass die kontinuierliche Ausweitung der Anzahl der sogenannten „Exzellenzuniversitäten“ auf 11 in der letzten Förderperiode in Bezug auf dieses Ziel kontraproduktiv gewirkt hat. Leuchttürme zumindest lassen sich so nicht erzeugen.
Die steuerliche FuE-Förderung muss endlich kommen.
Die Innovationsleistung der deutschen Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren an Kraft eingebüßt. Im Jahr 2010 lag der Indexwert des Subsystems Wirtschaft noch bei 59, bis 2017 fiel er auf 54 Punkte zurück. Damit ist der deutsche Unternehmenssektor nur mehr auf Rang 9 im globalen Innovationsvergleich. 2012 zählte er noch zu den Top-Drei-Standorten auf der Welt. Der Rückgang hat viele Ursachen. Eine ist die nachlassende Innovationsneigung unter den KMU, die wiederum unter anderem auf Fachkräfteknappheit, begrenzte Innenfinanzierungsmittel und geringe Gründungszahlen bei wachstumsorientierten innovativen Startups zurückzuführen ist. Gleichzeitig gibt es Schwächen in besonders dynamischen Innovationsfeldern, wie etwa digitalen Dienstleistungen und digitalen Geschäftsmodellen außerhalb der Industrie. Die Innovationspolitik in Deutschland ist sich dieser Herausforderungen bewusst. Was aber fehlt, ist eine beherzte Umsetzung und die Bereitstellung ausreichender Mittel, die die notwendige Richtungsänderung auch wirklich erreichen können.
Der Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft im Innovationsprozess ist in Deutschland insgesamt gut entwickelt. Im Innovationsindikator zählen die Indikatoren zu den Interaktionen zwischen Unternehmen und öffentlicher Forschung zu den Stärken Deutschlands.
Offene Innovationssysteme bieten neue Marktchancen.
Der Austausch von Wissen und Ideen zur Unterstützung der eigenen Innovationsprozesse und zur Verwertung von Innovationen durch andere (open innovation) wird in Zukunft noch stärker über Erfolg und Misserfolg von Unternehmen und ganzen Innovationssystemen entscheiden. Offene Innovationsprozesse bieten für viele Unternehmen neue Marktchancen durch eine höhere Innovationskraft und eine höhere Innovationsgeschwindigkeit.
Open innovation ist nicht zu verwechseln mit open source. Open innovation ist kein Plädoyer für einen unkontrollierten und vor allem ungewollten Wissensabfluss. Im Gegenteil: Die Zusammenarbeit basiert auf klaren Regeln und einem Schutz des intellektuellen Eigentums. Nur wenn die Eigentums-, Nutzungs- und Verwertungsrechte von Anfang an klar sind, sind effiziente und zielorientierte Kooperationen möglich. Der Staat ist dabei ein entscheidender Akteur beim Festlegen und Überwachen dieser Regeln. Ein starkes System zum Schutz von geistigem Eigentum und ein verlässliches ordnungspolitisches System insgesamt, wie sie in Deutschland derzeit bereits bestehen, sind wichtige Voraussetzungen. Anpassungen des bestehenden Systems sind aber überlegenswert. So könnte beispielsweise eine Neuheitsschonfrist im deutschen Patentrecht Wissen schneller diffundieren lassen, ohne die Schutzmöglichkeiten zu beeinträchtigen.
Der offene Zugang zu Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen (open access) und auch der Zugang zu Forschungsdaten (open data) zur Steigerung der Reproduzierbarkeit, der Überprüfbarkeit und der Effizienz im Wissenschaftssystem, aber auch die Bürgerbeteiligung an wissenschaftlichen Prozessen (citizen science) sind Bausteine auf dem Weg zu einer offenen Innovationskultur in Deutschland. Viel wichtiger ist es aber, einen Kulturwandel bei allen Akteuren im Innovationsprozess herbeizuführen und so das Geben und Nehmen von Wissen und technologischen Lösungen über Institutionengrenzen hinweg schneller und leichter zu machen.
Ein Kulturwandel hin zu offenen Innovationsprozessen kann nur durch Vertrauen und somit durch aufklärende und vertrauensbildende Maßnahmen erreicht werden. Die Vorbehalte gerade bei KMU müssen am besten durch positive Erfahrungen in konkreten Kooperationen und Austauschprozessen ausgeräumt werden. Hier können einerseits Plattformen und co-creation labs, die sowohl staatlich organisiert als auch privatwirtschaftlich realisiert werden können, wesentliche Beiträge leisten. Andererseits sind die Erfahrungen von Kooperationsprojekten zwischen wissenschaftlichen Einrichtungen und KMU nahezu durchweg positiv. Die Bundesregierung sollte gerade mit Blick auf offene Innovationsprozesse auch größere Verbundprojekte mit mehreren industriellen und gegebenenfalls auch mehreren wissenschaftlichen Partnern intensiv fördern. Auch bilaterale und internationale Verbundprojekte (2+2) sind für den Wissensaustausch essenziell und bieten für die Zukunft weitere Potenziale.
Open innovation ist eine Chance, auch jene Unternehmen – insbesondere KMU – wieder stärker einzubinden, die sich in den vergangenen Jahren aus Innovationsaktivitäten zurückgezogen haben. Viele Unternehmen, die selbst keine interne formalisierte FuE-Tätigkeit aufweisen, verfügen über Prozesswissen, das für die Umsetzung und Diffusion von Wissen und Ideen entscheidend sein kann. Mit open innovation können sie einerseits dieses Wissen einbringen und andererseits an Wissen partizipieren, das sie alleine nicht vorhalten oder erarbeiten könnten. Insofern sollte die Forschungsförderung gerade von Verbund- und Kooperationsprojekten den engen technologischen Fokus von Forschung und Entwicklung ein wenig lockern und stärker die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Dienstleistungen unterstützen.
Co-creation-labs, Ideenwettbewerbe und themenoffene Programme sind wesentliche Merkmale einer missionsorientierten Innovationspolitik. Die Förderung von Interdisziplinarität und Chancen für Andersdenkende jenseits des wissenschaftlich-technologischen Mainstreams in öffentlichen Förderprogrammen sind Beispiele für Maßnahmen, die politische und unternehmerische Ansatzpunkte für eine Öffnung des Innovationssystems bieten. Bestehende Maßnahmen wie Forschungscampus oder auch der Spitzencluster-Wettbewerb (neuerdings Zukunftscluster) sind im Kern bereits Maßnahmen zur Beförderung von offenen Innovationsprozessen. Sie könnten aber noch gezielter um Aspekte der Öffnung von Prozessen und des Einbezugs weiterer Akteure und Gruppen erweitert werden.
Die Analysen haben auch gezeigt, dass Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern weniger in der Lage ist, ausländische Talente anzuziehen und ausländische Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt und die Gesellschaft zu integrieren. Eine diesbezüglich klare Strategie und eine wissens- und innovationsorientierte Ausrichtung der Migrations- und Arbeitsmarktpolitik sind längst überfällig.
Offene Systeme enden nicht an Landesgrenzen. Wissens- und Verwertungsprozesse sind heute durch internationale Arbeitsteilung geprägt wie nie zuvor in der Weltgeschichte. Das Einholen und Abgeben von Wissen beschränkt sich nicht nur auf wissenschaftliche Zusammenarbeit, sondern schließt die gegenseitige Verwertung und Nutzung von Wissen ein. Abgeschottete Märkte und protektionistische Verfahren sind diesem gegenseitigen Austausch abträglich. Länder wie China und die USA müssen daher auf die eigenen Versprechen und Zusagen aus internationalen Verträgen wie bspw. die WTO verpflichtet werden. Und hierzu gibt es überzeugende Argumente, denn offene (Wirtschafts-)Systeme sind tendenziell – das zeigen unter anderem die diesjährigen Untersuchungen im Innovationsindikator – auch erfolgreichere Innovationssysteme. Regierungskonsultationen auf höchster politischer Ebene ebenso wie Forschungs- und Verbundprojekte im Kleinen sind Wege, um auf die internationalen Partner zuzugehen. Die Formulierung eigener Interessen – die Öffnung der Märkte und der Zugang zu Wissen gehören zu diesen Interessen – und die Erarbeitung von Strategien zur Erreichung dieser Interessen sind dabei wichtige und legitime Voraussetzungen.
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