-
Innovationsfähigkeit
schweiz behauptet spitzenplatz
Innovationen hervorbringen
Der Innovationsindikator 2023 legt einen neuen Ansatz zur Messung der Innovationsfähigkeit von 35 Volkswirtschaften vor. Der Indikator soll abbilden, wie Innovationen generiert, eingeführt und produktiv genutzt werden, und die Ergebnisse vergleichbar machen. Hierzu dienen 23 Einzelindikatoren, die vier Teilprozesse messen:
- Schaffung neuen und für Innovationen relevanten Wissens
- Diffusion dieses Wissens
- Umsetzung von Wissen in marktfähige Innovationen
- Erzielung wirtschaftlicher Erträge aus diesen Innovationen
Die Indikatorenauswahl kombiniert Maßzahlen zur aktuellen Innovationsperformance einer Volkswirtschaft, die auf Investitionen in der Vergangenheit beruht, mit Maßzahlen zu Aktivitäten, die sich auf die künftige Innovationsfähigkeit eines Landes beziehen. Insbesondere berücksichtigt der Innovationsindikator damit jene Faktoren, die an Bedeutung für die Innovationsleistung gewinnen werden. Dazu zählen beispielsweise die internationale Ausrichtung des Innovationssystems und die Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft (siehe Infokasten).
Alle Einzelindikatoren des Innovationsrankings sind an der Größe einer Volkswirtschaft (Bruttoinlandsprodukt [BIP] oder Bevölkerungszahl) normiert. Dies ermöglicht einen direkten Vergleich der Innovationsfähigkeit zwischen Ländern unterschiedlicher Größe. Allerdings ist zu beachten, dass kleine und große Volkswirtschaften unterschiedliche Möglichkeiten haben, sich auf innovative Aktivitäten zu konzentrieren.
Kleine Volkswirtschaften können aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen selten alle Güter herstellen, die in einem Land nachgefragt werden. Vielmehr müssen sie sich auf bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten konzentrieren, um für diese eine kritische Größe zu erreichen und ein ausdifferenziertes Ökosystem zu schaffen. Besitzen kleine Länder günstige Standortvoraussetzungen für innovative Aktivitäten – wie zum Beispiel eine leistungsfähige Wissenschaft oder eine gut ausgebildete Bevölkerung – liegt der Fokus besonders auf innovationsorientierten wirtschaftlichen Aktivitäten. Innerhalb dieser Spezialisierungsfelder werden deutlich mehr Güter produziert als im Land nachgefragt werden, was zu einer starken Exportorientierung in diesen Feldern führt. Gleichzeitig werden viele andere benötigte Güter importiert.
Große Volkswirtschaften weisen demgegenüber meist ein sehr breites Spektrum wirtschaftlicher Aktivitäten auf, weil das Produktionspotenzial ansonsten die globale Nachfrage übersteigt. Wollten die USA zum Beispiel einen Großteil ihrer wirtschaftlichen Ressourcen auf die Produktion von Spitzentechnikgütern wie Halbleitern oder Pharmazeutika konzentrieren, ergäbe dies eine Produktionsmenge weit über dem globalen Bedarf. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Basisgütern – von Nahrungsmitteln bis hin zu persönlichen Dienstleistungen – in großen Volkswirtschaften so hoch, dass ein überwiegender Import dieser Basisgüter unrealistisch ist. Deshalb weisen große Volkswirtschaften eine stärker ausgeglichene Wirtschaftsstruktur in Bezug auf sehr innovative und weniger innovative Aktivitäten auf als kleine Volkswirtschaften.
Im Ergebnis können in kleinen Volkswirtschaften die innovationsorientierten Aktivitäten einen wesentlich höheren Anteil an allen Aktivitäten ausmachen als in großen. Wenn man Indikatoren zur Messung der Innovationsleistung also an der Größe der untersuchten Volkswirtschaften normiert, schneiden kleine Länder oft deutlich besser ab als große – obwohl der absolute Innovationsbeitrag der kleinen Länder weit hinter den großen Volkswirtschaften zurückbleibt. In großen Volkswirtschaften konzentriert sich dagegen das Innovationsgeschehen oft stark auf bestimmte Teilräume mit besonders günstigen Voraussetzungen. Würden diese Teilräume gesondert betrachtet, würden sie oft eine deutlich höhere Innovationsfähigkeit als viele der innovationsstarken kleinen Volkswirtschaften aufweisen.4 Kombiniert mit anderen Teilräumen, die auf nicht innovative Aktivitäten spezialisiert sind, ergibt sich im Mittel jedoch eine merklich geringere Maßzahl der Innovationsfähigkeit.
INNOVATIONSFÄHIGKEIT: RANKING UND INDEXWERTE DER VOLKSWIRTSCHAFTEN
1 Schweiz 71 2 Singapur 65 3 Dänemark 60 4 Belgien 54 5 Irland 53 6 Schweden 50 7 Finnland 49 8 Niederlande 48 9 Südkorea 48 10 Deutschland 45 11 Isreal 44 12 Norwegen 44 13 Österreich 44 14 USA 42 15 Grossbritannien 41 16 Kanada 40 17 Australien 39 18 Frankreich 38 19 Taiwan 34 20 Spanien 33 21 Ungarn 30 22 Griechenland 29 23 Tschechien 29 24 Portugal 28 25 Italien 28 26 China 28 27 Japan 25 28 Polen 25 29 Russland 20 30 Türkei 19 31 Mexiko 14 32 Indien 9 33 Südafrika 8 34 Brasilien 6 35 Indonesien 1 Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Zentrale Ergebnisse
Die Schweiz ist im Innovationsindikator 2023 das Land mit der höchsten Innovationsfähigkeit. Die Alpenrepublik erreicht 71 von möglichen 100 Punkten. Dahinter folgen Singapur mit 65 und Dänemark auf Platz 3 mit 60 Punkten. Auf den Rängen 4 bis 7 liegen mit Belgien (54 Punkte), Irland (53), Schweden (50) und Finnland (49) vier weitere eher kleine Volkswirtschaften. Erst auf Rang 9, noch hinter den Niederlanden, findet sich mit Südkorea (48) die erste größere Volkswirtschaft. Deutschland erreicht mit 45 Punkten den zehnten Rang und ist unter den größeren Volkswirtschaften damit das zweitinnovativste Land. Die USA landen mit 42 Punkten ebenso hinter Deutschland wie Großbritannien (41) und Frankreich (38).
Die hohen Bewertungen kleinerer Volkswirtschaften zeigen, dass es diesen leichter fällt, einen größeren Teil der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen auf die Schaffung und wirtschaftliche Verwertung neuen Wissens zu setzen. Singapur ist hierfür ein herausragendes Beispiel. Der Stadtstaat mit knapp 6 Millionen Menschen auf einer Fläche, die kleiner als das Stadtgebiet Berlins ist, setzt seit langer Zeit auf neue Technologien und innovationsorientierte Wirtschaftszweige – von der Mikroelektronik und Biotechnologie über Digitalwirtschaft und Finanzwirtschaft bis zu innovativer Logistik. Dazu investiert das Land sowohl in eine exzellente Wissenschaft und eine sehr gut ausgebildete Bevölkerung als auch in die Ansiedlung und das Wachstum innovativer Industrien. Gleichzeitig erfolgen eine starke internationale Vernetzung und ein intensiver Austausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Singapur hat sich mit dieser Strategie seit Mitte der 2000er-Jahre von einem Platz im Mittelfeld schrittweise nach vorne entwickelt und ist seit rund zehn Jahren in der Spitze zu finden.
In Europa folgen die Schweiz und Dänemark einem sehr ähnlichen Ansatz wie Singapur. Hohe Investitionen in ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem eröffnen innovativen und international hoch vernetzten Industrien hervorragende Standortbedingungen. Neben hohen Ausgaben für die Hochschulausbildung und einer exzellenten Wissenschaft stellen enge Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft einen Standortvorteil dar. In der Industrie setzen beide Länder Schwerpunkte bei Pharma/Biotechnologie sowie im Maschinenbau. Dänemark weist außerdem einen stark entwickelten wissensintensiven Dienstleistungssektor auf.
Auch Belgien hat im vergangenen Jahrzehnt zunehmend einen Weg der Spezialisierung auf besonders innovationsorientierte Aktivitäten verfolgt. Das spiegelt sich vor allem in stark steigenden FuE-Ausgaben wider. Im Jahr 2020 erreichten die FuE-Ausgaben der belgischen Wirtschaft und Wissenschaft einen Anteil von 3,4 Prozent am BIP des Landes. Dies ist der zweithöchste Wert unter allen Staaten Europas – knapp hinter Schweden, aber noch vor der Schweiz und Deutschland. Im Jahr 2010 lag die FuE-Quote Belgiens dagegen erst bei 2,1 Prozent. Auch Irland stärkt kontinuierlich seine Innovationsausrichtung, wobei die grüne Insel einen anderen Ansatz als die vier im Innovations-Index vor ihr platzierten Länder gewählt hat. Die irische Strategie setzte bisher stark auf die Niederlassung ausländischer Technologiekonzerne, unter anderem durch eine großzügige FuE-Förderung, ein großes (Englisch sprechendes) Fachkräfteangebot und den Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Die Investitionen in die Wissenschaft bleiben demgegenüber zwar gering, allerdings wurde die Exzellenz- und Kooperationsorientierung des relativ kleinen heimischen Wissenschaftssektors stark erhöht.
Indikatoren zur Messung der Innovationsfähigkeit eines Landes
Schaffung von Wissen
- Anteil Promovierte
- Hochschulausgaben je Studierenden
- FuE-Ausgaben der Wirtschaft je BIP
- FuE-Ausgaben der Wissenschaft je BIP
- Wissenschaftlich-technische Publikationen je Bevölkerung
- Zitate je wissenschaftlich-technischer Publikation
- Anteil häufig zitierter wissenschaftlich-technischer Publikationen
Diffusion von Wissen
- Relation junge zu älteren Hochschulabsolventen
- Anteil industriefinanzierte FuE-Ausgaben der Wissenschaft
- Transnationale Patentanmeldungen je Bevölkerung
- Patente aus Wissenschaft je Bevölkerung
- Ko-Patente Wissenschaft-Wirtschaft je Bevölkerung
- Ko-Publikationen Wissenschaft-Wirtschaft je Bevölkerung
Umsetzung von Wissen in Innovation
- Anteil Beschäftigte mit Hochschulabschluss
- Fachkräfteangebot: Anteil offene Stellen (Indikator geht mit Gewicht -1 in den Gesamtindex ein, das heißt ein hoher Indikatorwert zeigt eine niedrige Innovationsfähigkeit an).
- VC-Kapital je BIP
- Anteil internationale Ko-Patente
- Anteil staatlich finanzierter FuE--Ausgaben der Wirtschaft
- Markenanmeldungen je Bevölkerung
Nutzung von Innovationen
- Wertschöpfungsanteil Hochtechnologie
- BIP pro Kopf
- Industrielle Wertschöpfung je Arbeitsstunde
- Handelsbilanzsaldo bei Hochtechnologiewaren
Aber nicht alle kleinen Länder, die einen Weg der starken Innovationsorientierung eingeschlagen und sehr hohe Indexwerte erreicht haben, konnten dieses hohe Niveau auf Dauer halten. In den 2000er-Jahren zählten Schweden und Finnland zu den innovativsten Ländern der Welt. Schweden konnte bis Mitte der 2010er-Jahre einen hohen Indexwert halten, fiel danach aber zurück. In Finnland setzte schon früher ein Abwärtstrend ein. Grund hierfür ist in beiden Ländern die starke Konzentration des nationalen Innovationssystems auf digitale Technologien. In diesem hoch dynamischen Technologiefeld sind einmal errungene Innovationsvorsprünge schwieriger zu halten als in anderen Technologiefeldern. Kleine Volkswirtschaften kommen jedoch nicht umhin, ihre relativ geringen Ressourcen auf wenige Innovationsthemen zu fokussieren. Deshalb laufen sie stets Gefahr, die erreichte Innovationsposition wieder zu verlieren, etwa wenn neue Technologie- und Markttrends nicht rasch genug antizipiert werden oder wenn neue Wettbewerber mit überlegenen Innovationen oder Geschäftsmodellen auftreten.
Aus einer langfristigen Perspektive stellt sich auch die aktuelle Spitzenposition der Schweiz weniger eindeutig dar, als ein reiner Blick auf den Rangplatz suggeriert. Mitte der 2000er-Jahre wies die Schweiz noch ein deutlich höheres Niveau der Innovationsfähigkeit in Relation zu den Mitbewerbern auf. Bis 2008 ging der Indexwert zurück, blieb danach aber konstant. Ab Mitte der 2010er-Jahre zeigt sich allerdings wieder eine leicht rückläufige Tendenz, das heißt, andere Länder holen stärker auf. Für die Schweiz muss dies allerdings nicht per se ein Nachteil sein, weil ihr spezifischer Wettbewerbsvorteil im Bereich Bildung und Wissensgenerierung sowie die spezifische technologische Ausrichtung der Schweiz (Maschinenbau, Messtechnik, Pharma, Chemie, Medizintechnik) von der anderer Länder an der Spitze abweicht.
Das Beispiel von Singapur zeigt, dass es kleinen Ländern relativ rasch gelingen kann, zu den Spitzennationen aufzuschließen, es aber schwierig ist, von der Spitze aus weiter die Innovationsfähigkeit zu steigern. In Singapur scheint der dynamische Prozess in Richtung immer stärkerer Innovationsorientierung in der zweiten Hälfte der 2010er-Jahre zum Stillstand gekommen zu sein. Belgien, das den Aufholprozess erst später gestartet hat, weist bis zum aktuellen Zeitpunkt eine dynamische Entwicklung auf.
In Europa folgen die Schweiz und Dänemark einen ähnlichen Ansatz wie Singapur. «
Deutschland zweiter unter den großen Volkswirtschaften
Große Volkswirtschaften dagegen weisen meist eine stabilere Entwicklung ihrer Innovationsfähigkeit auf. Dies liegt zum einen daran, dass sie eine viel größere Zahl von Technologien und Innovationsthemen besetzen, sodass abrupte Veränderungen in einem Technologiebereich keinen starken Einfluss auf das Gesamtranking haben. Zum anderen müssen in großen Volkswirtschaften auch erheblich umfangreichere finanzielle und personelle Ressourcen verschoben werden, um die Innovationsleistung merklich zu verändern. Vor diesem Hintergrund ist die hohe Innovationsdynamik in Südkorea zwischen 2010 und 2015 bemerkenswert. In diesem Zeitraum hat das Land von seiner Strategie profitiert, sich stark in Richtung digitale Technologien und digitale Wirtschaft zu orientieren. Seit 2017 ist Südkorea die innovativste der großen Volkswirtschaften im Innovationsindikator. Südkorea punktet mit hohen FuE-Ausgaben in Wirtschaft und Wissenschaft, einer gut ausgebildeten Bevölkerung sowie mit einer effizienten Umsetzung von Innovationen in wirtschaftliche Erträge. Dies deutet auf eine hohe Effizienz im Transfer von Inputs zu Outputs hin.
Deutschland weist im Vergleich zu Südkorea eine viel geringere Dynamik auf. Der Indexwert hat sich in den vergangenen 15 Jahren nur wenig verändert. Dies deutet auf ein stabiles Innovationssystem hin, das in einem sich rasch wandelnden und durch verschiedene Krisen gekennzeichneten globalen Umfeld seine Standortvorteile verteidigen konnte, jedoch wenig Dynamik entfaltet hat. Die Stärke Deutschlands liegt dabei in einer guten Performance in allen vier Prozessen der Entstehung und Nutzung von Innovationen, das heißt in einem ausbalancierten System. Als Resultat erzielt Deutschland ebenso wie Südkorea besonders hohe Werte bei den Indikatoren, welche die wirtschaftlichen Erträge von Innovationen messen. Deutliche Schwächen zeigen sich dagegen bei den Fachkräften. Die Relation zwischen Hochschulabsolvierenden und älteren erwerbstätigen Akademikerinnen und Akademikern ist ungünstig und der Anteil offener Stellen sehr hoch. Schwach schneidet Deutschland – trotz Verbesserungen in den letzten Jahren – bei den Risikokapital-Investitionen ab. Niedrig sind außerdem manche Indikatoren zum Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, etwa die Zusammenarbeit in der Grundlagenforschung (gemessen an gemeinsamen wissenschaftlichen Publikationen). Hierin spiegelt sich, dass in Deutschland nur sehr wenige Unternehmen Grundlagenforschung betreiben. Die FuE-Aktivitäten der Wirtschaft sind stark auf umsetzungsnahe Projekte ausgerichtet. Auf der einen Seite sichert dies eine starke Stellung bei der Umsetzung von Innovationen in Markterfolge. Auf der anderen Seite erschwert dies den raschen Einstieg in neue Innovationsthemen, die sich aus der Grundlagenforschung heraus entwickeln.
Deutschland hat ein stabiles Innovationssystem mit wenig Dynamik. «
Die deutsche Innovationspolitik der letzten Jahre verfolgt zwei wesentliche Ansätze, um das ausbalancierte System angesichts der globalen dynamischen Entwicklungen wettbewerbsfähig zu halten. Einerseits strebt Deutschland eine Erhöhung der FuE-Ausgaben an (3,5-Prozent-Ziel, das heißt Erhöhung der FuE-Ausgaben je BIP auf diesen Wert bis 2025). Gleichzeitig soll die Exzellenzorientierung in der Wissenschaft sowie die Zusammenarbeit zwischen einzelnen Wissenschaftseinrichtungen und zwischen Wissenschaft und Wirtschaft verstärkt werden. Als Beispiele sind hier sowohl das Forschungscampus-Programm als auch die Fortführung und Ausweitung des ZIM-Programms zu nennen. Auf europäischer Ebene wurden diese Anstrengungen beispielsweise durch Flaggschiff-Programme (zum Beispiel Batterie- oder Quantentechnologien) beziehungsweise Programme von gemeinsamem Interesse (IPCEIs), etwa zu Wasserstoff oder Batterien, flankiert.
Anders stellt sich die Dynamik der Innovationsfähigkeit für Großbritannien dar. Ausgehend von einem ähnlich hohen Indexwert wie Deutschland Mitte der 2000er-Jahre hat das Land vor allem seit der Finanzkrise 2007/08 deutlich an Innovationsfähigkeit verloren. Seit 2012 findet ein langsamer, aber stetiger Aufholprozess statt. Dabei liegt die Stärke Großbritanniens ganz klar in der Wissenschaft, die sich durch eine hohe Publikationsleistung und einen hohen Output an Hochqualifizierten auszeichnet. Schwach ist dagegen die Leistung im Bereich der Umsetzung von Wissen in Innovationen und wirtschaftliche Erträge. Dies zeigt, dass der Wissens- und Technologietransfer nur unzureichend funktioniert. Die politischen Anstrengungen in diesem Bereich, wie beispielsweise das anwendungsorientierte Catapult-Programm, sind durch den EU-Ausstieg und die aktuelle wirtschaftliche Krise nicht zu einer breiten Wirkung gelangt.
Innovationsfähigkeit: gesamtranking der Volkswirtschaften
Rang 2005 2010 2015 2020 2021 1 Schweiz Schweiz Schweiz Schweiz Schweiz 2 Schweden Schweden Schweden Singapur Singapur 3 Finnland Dänemark Singapur Dänemark Dänemark 4 Dänemark Finnland Dänemark Belgien Belgien 5 USA Singapur Irland Irland Irland 6 Norwegen USA Finnland Schweden Schweden 7 Niederlande Österreich Belgien Finnland Finnland 8 Österreich Irland Israel Niederlande Niederlande 9 Kanada Deutschland Niederlande Südkorea Südkorea 10 Belgien Niederlande Österreich Deutschland Deutschland 11 Deutschland Belgien Deutschland Israel Israel 12 Grossbritannien Norwegen USA Norwegen Norwegen 13 Irland Kanada Südkorea Österreich Österreich 14 Israel Israel Norwegen USA USA 15 Singapur Frankreich Grossbritannien Grossbritannen Grossbritannen 16 Australien Südkorea Kanada Australien Kanada 17 Frankreich Grossbritannien Australien Kanada Australien 18 Südkorea Australien Frankreich Frankreich Frankreich 19 Japan Japan Spanien Taiwan Taiwan 20 Spanien Spanien Ungarn Spanien Spanien 21 Italien Taiwan Tschechien Ungarn Ungarn 22 Taiwan Ungarn Taiwan Italien Griechenland 23 Russland Russland Japan Griechenland Tschechien 24 Tschechien Italien Portugal China Portugal 25 Ungarn Tschechien Russland Tschechien Italien 26 Griechenland Portugal Griechenland Portugal China 27 Südafrika Griechenland Italien Japan Japan 28 Türkei China Polen Polen Polen 29 Portugal Polen China Russland Russland 30 Polen Südafrika Türkei Türkei Türkei 31 China Indonesien Brasilien Mexiko Mexiko 32 Indonesien Mexiko Mexiko Südafrika Indien 33 Mexiko Türkei Südafrika Indien Südafrika 34 Brasilien Brasilien Indien Brasilien Brasilien 35 Indien Indien Indonesien Indonesien Indonesien Quelle: Innovationsindikator
Auch für Frankreich lässt sich in den letzten fünf Jahren ein aufsteigender Trend beobachten. Hierfür sind unter anderem die hohen Investitionen des Staates in die Förderung von FuE in der Wirtschaft (steuerliche Förderung) sowie eine sehr gute Performance des Wissenschaftssystems verantwortlich. Allerdings mangelt es in Frankreich – ebenso wie Großbritannien – an der Umsetzung dieses Wissens in Markterfolge.
In den USA fällt dagegen der Indexwert langsam, aber kontinuierlich. Bis etwa 2010 lagen die USA unter den großen Volkswirtschaften klar an erster Stelle. Mit der Finanzkrise verschlechterte sich die Position merklich. Seither findet ein stetiger Rückgang statt. Dabei ist zu beachten, dass die Innovationsleistung der USA stärker als in den meisten anderen Volkswirtschaften auf relativ wenige hoch innovative Teilräume konzentriert ist. Dazu zählen allen voran das Silicon Valley und andere Regionen in Kalifornien, die nordöstliche Region um New York und Boston, die Region um Seattle sowie einzelne Standorte im Bereich der Großen Seen und den Südstaaten. Die weitaus größten Teile der USA weisen dagegen kaum Innovationszentren von globaler Bedeutung auf. In der Gesamtbetrachtung des großen Landes ergibt dies keine herausgehobene Position im internationalen Vergleich, obgleich die globale Bedeutung der USA als Innovationsstandort unumstritten ist. Gleichzeitig sind im vergangenen Jahrzehnt die weniger innovationsorientierten wirtschaftlichen Aktivitäten stärker gewachsen, während in vielen Innovationsfeldern Verlagerungsprozesse auf kostengünstigere Standorte im Ausland zu verzeichnen sind.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung kleiner Volkswirtschaften mit sehr hohem Indexwert
Singapur
Schweiz
Dänemark
Belgien
Irland
Finnland
Schweden
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Die Position Chinas im Innovationsranking hat sich kontinuierlich verbessert. Der große Abstand zu den führenden großen Volkswirtschaften hat sich seit 2005 mehr als halbiert. Allerdings zeigt sich 2021, zum ersten Mal nach 2013, kein Zuwachs des Indexwerts. Die Stärken Chinas liegen auf der Inputseite, das heißt bei hohen FuE-Ausgaben der Wirtschaft und einer immer leistungsfähiger werdenden Wissenschaft. Dies ist typisch für Länder, die sich von einem relativ niedrigen Entwicklungsstand aus in Richtung eines modernen Industrielands bewegen. Auf der Umsetzungsseite sticht die stark positive Handelsbilanz im Bereich von Hochtechnologiegütern hervor.
Eine Sonderrolle nimmt Japan ein. Das Land liegt über den gesamten Betrachtungszeitraum deutlich hinter den übrigen großen Volkswirtschaften, ohne dass es zu einer merklichen Verbesserung oder Verschlechterung des Indexwerts kommt. Dies steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu der starken Innovationsposition der japanischen Unternehmen in vielen Märkten und Technologiefeldern. Allerdings fußt diese Position auf Strukturen und Investitionen, die vor längerer Zeit entstanden sind beziehungsweise getätigt wurden. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der Wettbewerbssituation mit China die angestammten Technologiebereiche Japans wie Mikroelektronik oder Konsumelektronik besonders herausfordert.
Bei den zukunftsorientierten Indikatoren, wie zum Beispiel der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems, dem Fachkräfteangebot, der internationalen Ausrichtung des Innovationssystems, dem Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft oder den Wagniskapitalinvestitionen, steht Japan schlecht da. Die Gefahr, die aus einem zu langen Beharren auf etablierten Strukturen resultiert, ist Japan durchaus bewusst. Allerdings hat das Land bislang keinen Ausweg aus dem Dilemma gefunden, in neue Technologiefelder zu investieren, ohne die Grundlagen des aktuell noch sehr hohen Wohlstands zu untergraben. Die geringe wirtschaftliche Dynamik in den vergangenen drei Jahrzehnten, der zunehmende Fachkräftemangel, aber auch stark hierarchische Entscheidungsmechanismen sowie eine gewisse Abschottungstendenz der japanischen Gesellschaft stellten und stellen schwierige Voraussetzungen für einen grundlegenden Wandel des japanischen Innovationssystems dar. Der Innovationsindikator zeigt, dass dieser Wandel weiterhin nicht in Gang gesetzt werden konnte.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung großer Volkswirtschaften
Deutschland
Südkorea
USA
Großbritannien
Frankreich
Japan
China
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Süd- und Osteuropa holen auf
Im Innovationsindikator werden auch süd- und osteuropäische Länder betrachtet, weil sie aus wissenschaftlicher und technologischer Sicht sowie aufgrund ihrer wirtschaftlichen Entwicklungen nicht nur in Europa, sondern weltweit eine nennenswerte Größe darstellen. Alle untersuchten Länder platzieren sich in der unteren Hälfte des Rankings. Bei einem insgesamt engen Feld schneidet Spanien mit 33 Punkten am besten und Polen mit 25 Punkten am schlechtesten ab. Dazwischen liegen Ungarn (30), Griechenland (29), Tschechien (29), Italien (28) und Portugal (28). In den vergangenen 15 Jahren konnten sich alle Länder dieser Gruppe verbessern. Gleichzeitig glichen sich die Innovationsleistungen der Länder deutlich an. Dies liegt insbesondere daran, dass Griechenland, Portugal und Polen ihre Investitionen in eine innovationsbasierte Wettbewerbsstrategie deutlich erhöht haben.
Spanien und Tschechien konnten bis Mitte der 2010er-Jahre Zuwächse beim Indexwert verzeichnen, stagnieren jedoch seitdem. Offenbar reichen die Ressourcen in diesen Ländern nicht aus, um den Aufholprozess dynamisch fortzusetzen. Ungarn verzeichnete nach 2015 ebenfalls Rückschläge bei der weiteren Erhöhung der Innovationsleistung, konnte sich aber seit 2020 wieder merklich verbessern. Italien konnte nach einer zunächst rückläufigen Entwicklung seine Innovationsleistung ab 2012 sukzessive steigern. Die süd- und osteuropäischen Länder zeigen recht ähnliche Stärken und Schwächen der Innovationsleistung. In allen sechs Ländern leistet der Staat umfangreiche finanzielle Beiträge zu den FuE-Ausgaben der Unternehmen. Das Wissenschaftssystem ist relativ umfangreich und das Angebot an gut ausgebildeten Fachkräften hoch. Die Schwächen liegen in den niedrigen FuE- und Patentaktivtäten der Wirtschaft, der geringen Qualität des wissenschaftlichen Outputs sowie wenig Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Die Innovationsergebnisse sind insgesamt niedrig, wenngleich Tschechien und Ungarn ihre wirtschaftlichen Aktivitäten – auch dank Investitionen aus dem Ausland – stark auf Hochtechnologiesektoren ausrichten konnten.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung der süd- und osteuropäischen Volkswirtschaften
Spanien
Ungarn
Griechenland
Tschechien
Portugal
Italien
Polen
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Schwellenländer abgeschlagen
Der Innovationsindikator untersucht auch die Innovationsfähigkeit sogenannter Schwellenländer. Diese Länder versuchen einen Strukturwandel in Richtung höherwertiger Produktionsaktivitäten und stärkerer Integration in die Weltwirtschaft zu vollziehen. Ein wichtiger Hebel, um dieses Ziel zu erreichen, ist der Ausbau der Innovationstätigkeit. Allerdings gibt es bei keinem der Länder eine merkliche Verbesserung in den letzten Jahren. Im Innovationsranking bilden sie die Schlussgruppe. Russland und die Türkei führen diese Gruppe mit einem Indexwert von 20 beziehungsweise 19 Punkten an. Dahinter folgen Mexiko (14), Indien (9), Südafrika (8) und Brasilien (6). Indonesien bildet mit einem Punkt das Schlusslicht.
Innerhalb der Gruppe zeigt einzig die Türkei in den vergangenen zwölf Jahren einen klaren Aufwärtstrend. Ebenfalls in der Tendenz ansteigende Indexwerte vermelden Indien und Mexiko. Südafrika und Indonesien zeigen dagegen eher abnehmende Indexwerte. Russland weist insgesamt kaum eine Dynamik auf, konnte aber sein Ausgangsniveau über die Zeit weitestgehend halten.
Die Schwellenländer weisen bei fast allen Indikatoren sehr niedrige Werte auf. Punkten können sie im Wesentlichen mit hoher staatlicher Förderung für FuE-Ausgaben der Unternehmen und einer hohen Patentinternationalisierung. Das heißt, dass die wenigen Patentanmeldungen häufig aus Kooperationen mit ausländischen Partnern resultieren. Einen günstigen Wert weist in den meisten Ländern der Indikator zum Nachwuchs an Absolvierenden auf, das heißt, es schließen deutlich mehr junge Menschen eine Hochschulausbildung ab, als ältere Menschen mit Hochschulausbildung den Arbeitsmarkt verlassen. Russland zeichnet sich durch eine sehr hohe Quote von akademisch Gebildeten im Arbeitskräftebestand aus, die noch ein Erbe der sowjetischen Zeit ist. Außerdem ist die Handelsbilanz bei Hochtechnologiewaren stark positiv, diese ist allerdings auch das Ergebnis der geringen Importe aufgrund von Handelsrestriktionen für Hochtechnologiegüter. Indien ist das einzige Schwellenland, das über einen entwickelten Venture-Capital-Markt verfügt.
4
Vgl. Rammer, Christian und Markus Trunschke (2018), Forschung und Innovation: Die Schweiz im Vergleich zu anderen Innovationsregionen, Studie im Auftrag des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation SBFI, Bern.
© BDI/Roland Berger 2023 - Schaffung neuen und für Innovationen relevanten Wissens