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Intro
editorial
Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,
Deutschland stagniert, China zeigt weiter Dynamik. Dies sind nur zwei plakative Ergebnisse des neuen Innovationsindikators 2024. Sie stehen stellvertretend für die Verschiebungen des weltweiten Innovationsgeschehens, bei denen traditionelle Industrienationen von aufstrebenden Wettbewerbern immer intensiver herausgefordert werden.
Die zunehmenden Handels- und Technologiekonflikte verstärken diesen Wandel. Sie stellen Volkswirtschaften und ihre Unternehmen vor die Aufgabe, in einem volatilen Marktumfeld zu bestehen und ihre strategische Ausrichtung entsprechend anzupassen. Je nach Größe und Struktur besitzen Unternehmen stärkere oder schwächere Standortbindungen; sie alle sind aber von den forschungs- und innovationspolitischen Bedingungen vor Ort abhängig. Die Bedeutung der Wissenschaftseinrichtungen in dieser geoökonomischen Konstellation wird oft unterschätzt. Der globale Austausch in der Spitzenforschung, die Exzellenz der wissenschaftlichen Einrichtungen und ihre Attraktivität für Talente aus aller Welt haben wesentliche Bedeutung. Sie sind für Innovationen einschließlich der Entwicklung von Schlüsseltechnologien entscheidend.
Als Abbild des Innovationsgeschehens vor der weltpolitischen Bühne ist dieser Innovationsindikator besonders aufschlussreich: Er hinterlegt den Erfolg innovativer Volkswirtschaften mit wissenschaftlich fundierten Zahlen. Sichtbar wird: Die heutige Positionierung ist ein Spiegel der Entscheidungen und Investitionen der Vergangenheit. Die Zukunft ist aber gestaltbar – umso mehr gilt: Ohne Verhaltensänderung gibt es nicht die erforderliche Dynamik, ohne Veränderungen im Handeln keine besseren Ergebnisse.
Deutschland rutscht im Ranking weiter ab. Die Schweiz und Singapur sind nun schon seit Langem die innovationsstärksten Länder der Welt. Dänemark hat sich eine erstaunliche Verbesserung seiner Innovationsfähigkeit erarbeitet. Gerade bei der Innovationsfähigkeit büßt Deutschland zwei Rangplätze ein und findet sich nun auf Platz 12 von 35 wieder. Besser ist das Ergebnis im Bereich Schlüsseltechnologien und Nachhaltigkeit – in beiden Gebieten hat Deutschland den siebten bzw. dritten Platz halten können.
Deutschland steht als europäische Wirtschaftsmacht im Zentrum der globalen Veränderungen. Wir als Herausgeber des Innovationsindikators sind überzeugt: Nur wenn Deutschland wieder Innovationsnation, die #InnoNation, wird, können wir die anstehenden Herausforderungen meistern. Der Innovationsindikator lädt vor diesem Hintergrund zur Diskussion ein: Wollen wir das Innovationssystem reformieren oder glauben wir, den Wandel aussitzen zu können? Setzen wir auf Exzellenz oder Gießkanne im Wissenschaftssystem? Wollen wir Schlüsseltechnologien beherrschen oder in weitere Abhängigkeiten geraten? Wie setzen wir die begonnene Diskussion um Dual-Use-Forschung fort und welche Konsequenzen folgen daraus für unser Innovationssystem?
Für die deutsche Politik können die Ergebnisse nur bedeuten, ihre forschungs- und innovationspolitischen Ziele noch konsequenter zu verfolgen. Dies muss trotz anstehender Bundestagswahl mit langfristiger Perspektive stattfinden: technologische Souveränität stärken, Exzellenz fördern, Transfer verbessern, Missionen gezielt umsetzen, Förderwidersprüche aufheben, Mittel bereitstellen.
Für die Unternehmen geht es vor allem darum, trotz Unsicherheiten innovationsgetriebene Investitionsentscheidungen zu treffen und durch ein aktives Portfoliomanagement ihre zukünftige Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Dazu tragen auch eine offene Innovationskultur und F&E-Partnerschaften innerhalb der Wirtschaft maßgeblich bei.
Schließlich gilt: Innovation müssen wir alle wollen. Das kann nicht nur die Aufgabe einiger weniger sein. Angst und Zurückhaltung sind keine guten Ratgeber. Mit dem Innovationsindikator laden wir Sie ein, sich zu beteiligen. Lassen Sie uns beginnen.
Siegfried Russwurm
Präsident
BDIStefan Schaible
Global Managing Partner
Roland BergerFotos: BDI/Christian Kruppa, Dominik Butzmann
© BDI/Roland Berger 2024