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Einleitung
Langefristige Perspektiven eröffnen
Der Innovationsindikator
Seit seiner Erstveröffentlichung im Jahr 2005 stellt der Innovationsindikator ein systematisches Messkonzept zur Erfassung der Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften bereit. Die Stärke des verwendeten Messkonzepts beruht dabei unter anderem auf empirisch-methodischer Expertise in Bezug auf die Konstruktion von Kompositindikatoren. Das Konzept der Nationalen Innovationssysteme (NIS) unterscheidet verschiedene Teilsysteme, deren Ausgestaltung die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft bedeutend beeinflussen, und fokussiert dabei auf seine Akteure und deren Verbindungen. In einem nationalen Innovationssystem interagieren diese Teilsysteme und determinieren so auf unterschiedliche Art und Weise die Innovationsfähigkeit der Volkswirtschaften.
Die Ausrichtung
Der NIS-Ansatz hat eine lange Tradition in der Innovationsforschung und hat sich in der Vergangenheit als fruchtbarer Ausgangspunkt für die empirische Analyse von Innovationsprozessen auf nationaler Ebene erwiesen. Dies zeigt sich auch daran, dass der Ansatz in der Forschung über die letzten Jahrzehnte kontinuierlich weiterentwickelt worden ist, um den geänderten Rahmenbedingungen Rechnung zu tragen, zum Beispiel neuen gesellschaftlichen Herausforderungen oder dem Aufkommen neuer Technologien. Insbesondere wurde der systemzentrierte NIS-Ansatz in zunehmendem Maße um eine Funktionsperspektive erweitert.1 Im Zentrum dieses sogenannten funktionalen NIS-Ansatzes steht nicht mehr die Erfassung ex ante definierter Systeme (Wissenschaft, Wirtschaft, Staat, Gesellschaft, Bildung) und ihrer Akteure, sondern die Art und Weise, wie bestimmte für Innovationssysteme relevante Funktionen erfüllt werden. Aufbauend auf dem funktionalen NIS-Ansatz greift der Innovationsindikator diese Erkenntnisse der Innovationsforschung auf und überführt sie in ein operationalisiertes Messkonzept, das zentrale Herausforderungen und Funktionen, denen sich moderne Innovationssysteme gegenübersehen, abbildet. Der zunehmende Technologiewettbewerb im Zuge geopolitischer Neuordnung sowie die zentralen Herausforderungen der Dekarbonisierung und Digitalisierung von Wirtschaft, Wissenschaft, Staat und Gesellschaft sind als Hintergrund des Innovationsindikators zu verstehen. Deshalb stellt der Innovationsindikator folgende drei Aspekte in den Vordergrund:
- Innovationen hervorbringen
- Zukunftsfelder durch Schlüsseltechnologien entwickeln
- Nachhaltig wirtschaften
Alle drei Funktionen werden dabei als eigenständige Zielfunktionen betrachtet und innerhalb des Konzepts im Innovationsindikator in Form eigenständiger Kompositindikatoren erfasst. Eine Verrechnung der diesen Funktionen zugeordneten Indikatoren erfolgt dabei nicht.
Der Innovationsindikator berücksichtigt, wie zukunftsfähig die Positionierung eines Landes ist. Dies gelingt erstens durch die Analyse, wie gut die einzelnen Volkswirtschaften in Bezug auf bedeutsame Schlüsseltechnologien abschneiden. Zweitens berücksichtigt der Innovationsindikator, wie nachhaltig die Wirtschaft sowie die Innovationsprozesse ausgestaltet werden. Beispielsweise kann eine Volkswirtschaft in der Gegenwart innovatorisch erfolgreich sein, aber langfristig starken Innovationshemmnissen ausgesetzt sein, wenn sie nicht ausreichend in zukünftig bedeutsame Technologien investiert, die über viele Branchen hinweg Innovationstreiber sind, oder wenn die Innovationen umwelt- und ressourcenbezogene Nachhaltigkeitsgrenzen nicht einhalten. In diesem Sinne verfolgt der methodisch-konzeptionelle Rahmen des Innovationsindikators das Ziel, eine langfristigere Perspektive auf die Innovationsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften zu eröffnen.
Innovationsindikator
Innovationen hervorbringen
Zukunftsfelder durch Schlüsseltechnologien entwickeln
Nachhaltig wirtschaften
Innovation sichert Zukunft
Mit Blick auf die Schlüsseltechnologien werden sieben technologische Bereiche abgebildet, die wir für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit für besonders relevant halten, nicht zuletzt deshalb, weil sie Voraussetzungen für technologische Entwicklungen in anderen Technologiebereichen und für eine Vielzahl an Wirtschaftszweigen sind:
- Digitale Hardware
- Digitale Vernetzung
- Neue Produktionstechnologien
- Energietechnologien
- Neue Werkstoffe und fortschrittliche Materialien
- Biotechnologie
- Kreislaufwirtschaft
Die Funktion „Zukunftsfelder durch Schlüsseltechnologien entwickeln“ fokussiert auf die Fähigkeit einer Volkswirtschaft, Innovationen in bestimmten, allgemein definierten Technologiebereichen eigenständig hervorzubringen und die daraus erwachsenden ökonomischen Entwicklungspotenziale zu nutzen. Diesem Ansatz liegt somit eine langfristige, technologieorientierte Wettbewerbsperspektive zugrunde.
Erweitert wird diese Wettbewerbsperspektive um die Funktion „Nachhaltig wirtschaften“, die primär auf die Einhaltung planetarer Grenzen abzielt. In dieser Funktion geht es um die Frage, ob bestehende Produktions- und Innovationsprozesse nachhaltig organisiert sind und welche wissenschaftlich-technologischen Voraussetzungen in den Ländern bestehen, um die Transformationen von Wirtschaft und Gesellschaft zu unterstützen. Beide Perspektiven – die auf Schlüsseltechnologien und die auf Nachhaltigkeit – ergänzen sich. So ist es zum Beispiel möglich, dass eine Volkswirtschaft eine Führerschaft bei der Bereitstellung von Energietechnologien hat und daraus auch ökonomische Vorteile ziehen kann, während gleichzeitig die eigenen Produktions- und Innovationsprozesse nicht in hinreichendem Maße nachhaltig organisiert sind. In diesem Sinne stellt der Nachhaltigkeitsindikator im Innovationsindikator ein Messkonzept dafür bereit, inwieweit die Volkswirtschaften ihre Produktionsstrukturen auch innerhalb eines nachhaltigen Wirtschaftsparadigmas langfristig aufrechterhalten können.
Der Innovationsindikator verfolgt das übergeordnete Ziel zu messen, inwiefern verschiedene Länder ihre Zukunftsfähigkeit mithilfe von Innovation absichern. Dabei wird die schon in vergangenen Ausgaben des Innovationsindikators zumindest implizit gut abgebildete Funktion „Innovationen hervorbringen“ um eine dezidiert auf die Zukunft ausgerichtete Perspektive erweitert. Insbesondere wird mit der Funktion „Zukunftsfelder durch Schlüsseltechnologien entwickeln“ die zukünftige technologische Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Volkswirtschaften besser abgebildet. Zum anderen wird die Funktion „Nachhaltig wirtschaften“ explizit aufgenommen, um zu analysieren, ob und inwieweit die Innovations- und Produktionssysteme der einzelnen Volkswirtschaften planetare Grenzen einhalten und somit langfristig erfolgreich sein können.
Eine Liste der jeweiligen Indikatoren findet sich in den einzelnen Kapiteln sowie im Methodenbericht.
1
Vgl. Bergek, A.; Jacobsson, S.; Carlsson, B.; Lindmark, S. & Rickne, A. (2008). Analyzing the functional dynamics of technological innovation systems: A scheme of analysis. Research policy, 37(3), 407–429.
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