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Innovationsfähigkeit
Schweiz bleibt die Nummer Eins
Volkswirtschaften und ihre Innovationskraft
Der Innovationsindikator hat zum Ziel, die Innovationsfähigkeit von 35 Ländern zu messen. Die Ausgabe 2024 des Innovationsindikators setzt die im Vorjahr überarbeitete Messmethode fort. Aufbauend auf einem systemischen Verständnis von Innovation wird erfasst, wie Innovationen generiert, eingeführt und produktiv genutzt werden. Hierfür ist das Zusammenspiel vieler Akteure – Unternehmen, Wissenschaft, Politik, Gesellschaft – und das Vorhandensein einer innovationsunterstützenden Infrastruktur sowie innovationsfreundlicher Rahmenbedingungen notwendig.
Der Innovationsindikator versucht, anhand von 23 Einzelindikatoren diese Vielfalt an Einflussfaktoren abzubilden. Hierfür werden vier Funktionen zur Erzeugung von Innovationen betrachtet:
- Schaffung von neuem, für Innovationen relevantem Wissen
- Diffusion dieses Wissens
- Umsetzung von Wissen in marktfähige Innovationen
- Erzielung wirtschaftlicher Erträge aus diesen Innovationen
Bei der Auswahl der Indikatoren wird auf eine Balance geachtet zwischen Indikatoren, die die aktuelle Innovationsperformance eines Landes messen, und zukunftsgerichteten Indikatoren, die die künftige Innovationsfähigkeit abbilden. Die aktuelle Innovationsperformance beruht auf Investitionen, die in der Vergangenheit getätigt wurden, und sagt somit nicht unbedingt etwas über die Potenziale aus, die ein Land in den kommenden Jahren im Innovationswettbewerb nutzen kann. Sie ist jedoch eine bedeutsame Kennzahl, denn sie gibt an, wie viel Innovationen zum gegenwärtigen Wohlstand einer Gesellschaft beitragen. Gleichzeitig generiert die aktuelle Innovationsperformance jene Erträge, die für Investitionen in die künftige Innovationsfähigkeit benötigt werden. Für diese künftige Innovationsfähigkeit eines Landes spielen insbesondere jene Faktoren eine zentrale Rolle, die an Bedeutung für das Innovationsgeschehen gewinnen werden. Dazu zählen beispielsweise die internationale Ausrichtung des Innovationssystems, die Leistungsfähigkeit des Forschungssystems und die Interaktion zwischen Wissenschaft und Wirtschaft.
Alle Einzelindikatoren des Innovationsindikators sind an der Größe einer Volkswirtschaft normiert (Bruttoinlandsprodukt [BIP] oder Bevölkerungszahl). Dies ermöglicht einen direkten Vergleich der Innovationsfähigkeit zwischen Ländern unterschiedlicher Größe. Allerdings ist zu beachten, dass kleine und große Volkswirtschaften unterschiedliche Möglichkeiten haben, sich auf innovative Aktivitäten zu konzentrieren (siehe Kasten „Zum Vergleich von großen und kleinen Volkswirtschaften im Innovationsindikator“).
Die Werte der Einzelindikatoren werden auf einen Wertebereich zwischen 0 und 100 normiert. Hierfür wird der Indikatorwert eines Landes in Bezug zu den Indikatorwerten einer Referenzgruppe gesetzt.2 Ein Wert von 0 zeigt, dass der Indikatorwert des betrachteten Landes gleich oder niedriger ist als der niedrigste Indikatorwert in der Referenzgruppe, während ein Wert von 100 angibt, dass der Indikatorwert dem höchsten Wert in der Referenzgruppe entspricht oder darüber liegt. Werte größer 0 und kleiner 100 ergeben sich, wenn der Indikatorwert eines Landes im Wertebereich der Referenzgruppe liegt. Der Gesamtindex des Innovationsindikators entspricht dem Mittelwert der normierten Einzelindikatoren und liegt zwischen 0 und 100 Punkten.
INNOVATIONSFÄHIGKEIT: RANKING UND INDEXWERTE DER VOLKSWIRTSCHAFTEN
1 Schweiz 71 2 Singapur 68 3 Dänemark 68 4 Schweden 58 5 Irland 55 6 Finnland 52 7 Belgien 48 8 Australien 47 9 Niederlande 46 10 Österreich 45 11 Südkorea 44 12 Deutschland 43 13 Grossbritannien 42 14 Israel 39 15 Taiwan 37 16 Norwegen 37 17 Kanada 36 18 USA 35 19 Griechenland 34 20 Spanien 32 21 Frankreich 31 22 Polen 30 23 Portugal 29 24 Tschechien 28 25 China 28 26 Italien 27 27 Ungarn 26 28 Japan 25 29 Mexiko 21 30 Türkei 20 31 Indien 17 32 Brasilien 17 33 Südafrika 14 34 Russland 12 35 Indonesien 12 Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Zentrale Ergebnisse
Die Schweiz ist im Innovationsindikator 2024 das Land mit der höchsten Innovationsfähigkeit. Wie im Vorjahresranking erreicht die Alpenrepublik einen Wert von 71 Punkten. Das zweitplatzierte Land, Singapur, liegt mit 68 Punkten weiterhin etwas zurück und konnte sich im Vergleich zum Vorjahresbericht um 3 Punkte verbessern. Dänemark als drittplatziertes Land weist mit einem Plus von 8 Punkten einen noch höheren Zuwachs auf und erreicht ebenfalls 68 Punkte. Durch die positive Entwicklung von Singapur und Dänemark sind die drei topplatzierten Länder deutlich enger zusammengerückt. Der Abstand zu den nachfolgenden Ländern hat sich deutlich erhöht.
Auf den Rängen vier bis sechs liegen Schweden, Irland und Finnland. Schweden konnte sich um 8 Punkte verbessern und rückt mit nun 58 Punkten vom sechsten auf den vierten Platz vor. Irland blieb trotz eines leichten Punktegewinns auf Rang fünf. Finnland befindet sich mit 52 Punkten (+3 Punkte gegenüber dem Vorjahr) auf dem sechsten Platz. Zurückgefallen ist dagegen Belgien. Mit 48 Punkten hat es im Vorjahresvergleich 6 Punkte eingebüßt und drei Rangplätze verloren.
Belgien führt eine Gruppe von sieben Ländern an, die jeweils mit einem Punkt Abstand auf das davor platzierte Land eine recht ähnliche Innovationsleistung aufweisen. Zu dieser Gruppe gehört neben Belgien, Australien, den Niederlanden, Österreich, Südkorea und Großbritannien auch Deutschland. Mit 43 Punkten erreicht es zwei Punkte weniger als im Vorjahresranking und fällt damit vom zehnten auf den zwölften Platz zurück.
Das weitere Mittelfeld des Innovationsrankings umfasst erstens eine Gruppe von fünf Volkswirtschaften, die mit Werten zwischen 39 und 35 Punkten recht nahe beieinander liegen. Dies sind Israel, Taiwan, Norwegen, Frankreich und die USA. Den zweiten Teil des weiteren Mittelfelds bilden elf Länder, die zwischen 34 und 25 Punkte aufweisen. Sie setzen sich zum einen aus größeren Volkswirtschaften zusammen (China, Japan, Frankreich, Italien). Zum anderen zählen kleine bis mittelgroße süd- und mitteleuropäische Länder zu dieser Gruppe (Griechenland, Spanien, Polen, Portugal, Tschechien, Ungarn).
Japan stellt dabei das Schlusslicht des weiteren Mittelfelds dar. Dass Japan sich so weit hinten im Innovationsranking befindet, liegt in erster Linie an den Indikatoren, die die internationale Vernetzung, die wissenschaftliche Performance, die Fachkräfteentwicklung sowie die staatliche Unterstützung von FuE messen. Bei all diesen Indikatoren liegt Japan sehr deutlich zurück, sodass selbst die Spitzenwerte bei FuE-Aktivitäten, Patenten und Hochtechnologie nicht ausreichen, um das Land weiter nach vorne zu bringen.
Das hintere Feld im Innovationsindikator bilden sieben Staaten, die ökonomisch als „Schwellenländer“ bezeichnet werden können und vier der fünf BRICS-Länder (Brasilien, Russland, Indien, Südafrika) sowie die Türkei, Mexiko und Indonesien umfassen. Mit Indikatorwerten zwischen 21 und 12 Punkten erreichen sie nur Platzierungen am Ende des Rankings.
Indikatoren zur Messung der Innovationsfähigkeit eines Landes
Schaffung von Wissen
- Anteil Promovierte
- Hochschulausgaben je Studierende
- FuE-Ausgaben der Wirtschaft je BIP
- FuE-Ausgaben der Wissenschaft je BIP
- Wissenschaftlich-technische Publikationen je Bevölkerung
- Zitate je wissenschaftlich-technischer Publikation
- Anteil häufig zitierter wissenschaftlich-technischer Publikationen
Diffusion von Wissen
- Relation junge zu älteren Hochschulabsolventen
- Anteil industriefinanzierte FuE-Ausgaben der Wissenschaft
- Transnationale Patentanmeldungen je Bevölkerung
- Patente aus Wissenschaft je Bevölkerung
- Co-Patente Wissenschaft-Wirtschaft je Bevölkerung
- Co-Publikationen Wissenschaft-Wirtschaft je Bevölkerung
Umsetzung von Wissen in Innovation
- Anteil Beschäftigte mit Hochschulabschluss
- Fachkräfteangebot: Anteil offene Stellen (Indikator geht mit Gewicht -1 in den Gesamtindex ein, das heißt, ein hoher Indikatorwert zeigt eine niedrige Innovationsfähigkeit an).
- Venture-Capital je BIP
- Anteil internationale Co-Patente
- Anteil staatlich finanzierter FuE-Ausgaben der Wirtschaft
- Markenanmeldungen je Bevölkerung
Nutzung von Innovationen
- Wertschöpfungsanteil Hochtechnologie
- BIP pro Kopf
- Industrielle Wertschöpfung je Arbeitsstunde
- Handelsbilanzsaldo bei Hochtechnologiewaren
Veränderungen durch Corona, Energiekrise, Inflation und Ukraine-Krieg
In die Ergebnisse des Innovationsindikators 2024 flossen bereits Auswirkungen der Corona-Pandemie, des Energiepreisanstiegs, der seit 2022 stark gestiegenen Inflation und des Ukraine-Kriegs ein. Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Indikatoren sehr unterschiedlich durch diese Krisen und gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen beeinflusst werden. Manche Indikatoren sind sehr „krisenresilient“, da sie grundlegende Strukturen eines Innovationssystems abbilden, wie zum Beispiel die Qualifikation der Erwerbstätigen oder die Beschäftigung in der Wissenschaft. Andere Indikatoren reagieren deutlich stärker auf die ungünstigeren Rahmenbedingungen für Forschung und Innovation aufgrund dieser Krisen. Dazu zählen unter anderem Indikatoren zum internationalen Austausch von Wissen und Technologien, aber auch Investitionen in neue Technologien oder die Vermarktung von Innovationen.
Im Ergebnis kam es zwischen den Ausgaben 2023 und 2024 des Innovationsindikators zu einigen deutlichen Verschiebungen, die primär auf die unterschiedlichen Auswirkungen der angeführten Krisen zurückzuführen sind. Denn im Innovationsindikator 2023 konnten aufgrund der zeitlichen Verzögerung in der Bereitstellung vieler Indikatoren lediglich erste Auswirkungen der Corona-Pandemie erfasst, aber noch keine Auswirkungen des Energiepreisanstiegs, der hohen Inflation und des Ukraine-Kriegs abgebildet werden.
Vergleicht man die Veränderung der Punktezahl zwischen den beiden Ausgaben des Innovationsindikators, so haben erstens einige der im Ranking weit zurückliegenden Länder stark zulegen können. Dies gilt für Brasilien, Indonesien, Indien, Mexiko und Südafrika. Zweitens verbesserten auch zwei Länder aus dem unteren Mittelfeld ihre Indikatorwerte deutlich (Polen, Griechenland). Drittens gelang es einigen der innovationsintensiven Volkswirtschaften, die Krisenzeit gestärkt zu durchschreiten, allen voran Dänemark, Australien und Schweden, aber auch Singapur, Taiwan und Finnland.
Die Punktezuwächse der Schwellenländer am aktuellen Rand sind in erster Linie auf einen verbesserten Handelsbilanzsaldo bei Hochtechnologien sowie eine gestiegene Zahl von internationalen Co-Patenten zurückzuführen. Außerdem hat sich die Relation zwischen Hochschulabsolventen und hoch qualifizierten älteren Beschäftigten demografiebedingt erhöht. Indien konnte außerdem den Output an viel zitierten wissenschaftlichen Publikationen steigern. Polen und Griechenland punkteten vor allem mit einer verbesserten Hochtechnologie-Handelsbilanz, einem höheren wissenschaftlichen Output, gestiegenen FuE-Ausgaben der Wissenschaft und im Bereich der tertiären Bildung. Die aktuelle Dynamik in den innovations-intensiven Volkswirtschaften ist zum einen auf die Publikationsleistung der Wissenschaft und zum anderen auf bessere Ergebnisse bei der Umsetzung von Wissen (zum Beispiel VC-Investitionen, Markenanmeldungen, Wirtschaft-Wissenschaft-Kooperationen) zurückzuführen. Australien konnte sich außerdem im Bereich der tertiären Bildung verbessern.
Auf der anderen Seite gibt es mehrere Länder, die sich aktuell im Innovationsindikator stark verschlechtert haben. Am stärksten gilt dies für Russland. Daneben haben aber auch einige im Grunde innovationsstarke Länder deutliche Einbußen hinnehmen müssen, darunter Frankreich, die USA, Norwegen, Belgien und Israel. Die Ursachen hierfür sind je nach Land unterschiedlich und reichen von Rückgängen bei den FuE-Ausgaben der Wirtschaft und des Hochtechnologie-Wertschöpfungsanteils (Belgien, Norwegen, Frankreich) über eine geringere Dynamik bei den FuE-Aktivitäten der Wissenschaft (USA, Frankreich) bis zu geringeren FuE-Förderaktivitäten des Staates (USA, Israel). Deutschland reiht sich mit einem Verlust von zwei Punkten ebenfalls in die Gruppe mit einer aktuell rückläufigen Innovationsleistung ein.
einige im grunde innovationsstarke länder haben deutliche einbußen hingenommen. «
Sehr hohe Werte vor allem für kleinere Volkswirtschaften
Die hohen Werte für kleinere Volkswirtschaften im Innovationsindikator zeigen, dass es diesen Ländern leichter fällt, einen größeren Teil der verfügbaren personellen und finanziellen Ressourcen auf die Schaffung und wirtschaftliche Verwertung neuen Wissens zu verwenden. Dies gilt ganz besonders für das führende Land, die Schweiz. Die Eidgenossenschaft beherbergt einige der leistungsfähigsten Wissenschaftseinrichtungen der Welt, deren Output gemessen an der Wirtschaftskraft höher als in fast jedem anderen Land ist. Gleichzeitig konzentriert sich die Wirtschaft auf jene Felder, für die neue Forschungsergebnisse von besonders großer Bedeutung sind, wie zum Beispiel Pharma/Biotechnologie oder Elektronik und Automatisierung. Durch die enge Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft werden viele Innovationsmöglichkeiten generiert und produktiv genutzt. Die einzigen „Schwachpunkte“ der Schweiz im Innovationsindikator sind die recht niedrigen Wagniskapitalinvestitionen sowie die sehr geringe staatliche FuE-Förderung für Unternehmen. Beides kann aber auch den Umstand widerspiegeln, dass die forschungsintensiven Unternehmen über ausreichende interne Mittel verfügen und daher nicht auf staatliche Unterstützung oder externe Finanzierung angewiesen sind.
Singapur und Dänemark verfolgen einen sehr ähnlichen Ansatz wie die Schweiz. Hohe Investitionen in ein leistungsfähiges Wissenschaftssystem eröffnen innovativen und international hoch vernetzten Industrien hervorragende Standortbedingungen. Neben hohen Ausgaben für die Hochschulausbildung und einer exzellenten Wissenschaft stellen enge Kooperationen zwischen Wirtschaft und Wissenschaft einen Standortvorteil dar. In der Wirtschaft setzen beide Länder Schwerpunkte bei Pharma/Biotechnologie und den wissensintensiven Dienstleistungen.
Die starke Position von Belgien im Innovationsindikator spiegelt eine eindrucksvolle Umorientierung bei Forschung und Innovation wider, die das Land seit Mitte der 2010er-Jahre eingeschlagen hat. Im Jahr 2013 lag Belgien mit einem Indexwert von 41 Punkten noch im Mittelfeld des Innovationsindikators. Seither wurde erheblich in die Entwicklung des Innovationssystems investiert, und zwar insbesondere in Wissenschaft und Wirtschaft (und deren Vernetzung). Damit einher ging eine zunehmende Spezialisierung auf besonders innovationsorientierte wirtschaftliche Aktivitäten. Ein Indikator dafür sind die stark steigenden FuE-Ausgaben. Im Jahr 2022 beliefen sich diese auf 3,41 Prozent des BIP. Dies ist der höchste Wert unter allen Ländern Europas – gleichauf mit Schweden, aber noch vor der Schweiz und Deutschland. Im Jahr 2010 lag die FuE-Quote Belgiens dagegen erst bei 2,1 Prozent. Am aktuellen Rand hat Belgien allerdings diesen Aufwärtstrend nicht fortsetzen können. 2022 sank der Indikatorwert deutlich ab und erholte sich 2023 nur leicht. Ob dies eine Trendwende oder nur ein krisenbedingter kurzfristiger Einschnitt ist, kann derzeit noch nicht abschließend gesagt werden.
Auch Irland stärkt kontinuierlich seine Innovationsausrichtung, wobei die grüne Insel einen anderen Ansatz als die vier im Innovationsindex vor ihr platzierten Länder gewählt hat. Die irische Strategie setzt stark auf die Niederlassung ausländischer Technologiekonzerne, unter anderem durch eine großzügige FuE-Förderung, ein großes (Englisch sprechendes) Fachkräfteangebot und den Zugang zum europäischen Binnenmarkt. Dadurch ist Irland – gemessen an seiner Wirtschaftskraft – zum Topstandort für die wirtschaftliche Verwertung von Innovationen in Europa geworden. Dies zeigt sich an einer sehr hohen Produktivität, einem enormen Exportüberschuss im Bereich Hochtechnologiewaren und dem nach Luxemburg zweithöchsten BIP pro Kopf in Europa. Gleichzeitig wird auch verstärkt in die Hochschulausbildung investiert, um die hohe Nachfrage nach gut ausgebildeten Fachkräften bedienen zu können.
Aber nicht alle kleinen Länder, die einen Weg der starken Innovationsorientierung eingeschlagen und sehr hohe Innovationsindexwerte erreicht haben, konnten dieses hohe Niveau auf Dauer halten. In den 2000er-Jahren zählten Schweden und Finnland zu den innovativsten Ländern der Welt und nahmen hinter der Schweiz den zweiten und dritten Rang ein. Schweden konnte bis Mitte der 2010er-Jahre einen hohen Innovationsindexwert halten, fiel danach aber zurück. In Finnland setzte schon früher ein Abwärtstrend ein. Der wesentliche Grund für den Abwärtstrend ist in beiden Ländern die starke Konzentration des nationalen Innovationssystems auf digitale Technologien. In diesem hoch dynamischen Technologiefeld sind einmal errungene Innovationsvorsprünge schwieriger zu halten als in anderen Technologiefeldern. Kleine Länder kommen jedoch nicht umhin, ihre relativ geringen Ressourcen auf wenige Innovationsthemen zu fokussieren. Deshalb laufen sie stets Gefahr, die erreichte Innovationsposition wieder zu verlieren, etwa wenn neue Technologie- und Markttrends nicht rasch genug antizipiert werden oder wenn neue Wettbewerber mit überlegenen Innovationen oder Geschäftsmodellen auftreten. Gleichzeitig können sich aber beide Länder in der aktuell schwierigen gesamtwirtschaftlichen und weltpolitischen Situation gut behaupten. Dies spiegelt die Fähigkeit wider, sich rasch an ungünstige Rahmenbedingungen anpassen zu können.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung kleiner Volkswirtschaften mit sehr hohem Indexwert
Innovations-Index für kleine Volkswirtschaften mit sehr hohem Indexwert (2005–2023)
Singapur
Schweiz
Dänemark
Belgien
Irland
Schweden
Finnland
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Vergleicht man die Innovationsleistung der kleinen Volkswirtschaften mit sehr hohen Indexwerten anhand der vier im Innovationsindikator unterschiedenen Teilprozesse – Schaffung von Wissen, Diffusion von Wissen, Umsetzung in Innovationen, Nutzung von Innovationen –, dann zeichnen sich einige Gemeinsamkeiten ab. Besonders hoch ist die Innovationsleistung im Bereich der Schaffung von neuem Wissen. Dies spiegelt die Strategie wider, möglichst viele volkswirtschaftliche Ressourcen in wissensgenerierende Aktivitäten zu lenken (Wissenschaft, tertiäre Ausbildung, forschungsintensive Industrie, wissensintensive Dienstleistungen). Im Bereich der Diffusion von Wissen sind die Indikatorwerte in der Regel deutlich niedriger. Dies deutet darauf hin, dass ein großer Teil des in diesen Ländern entstehenden wissenschaftlichen Wissens nicht im Land verbleibt. Das ist angesichts der geringen Größe der Volkswirtschaften und der Notwendigkeit, sich auf relativ wenige wirtschaftliche Aktivitäten zu spezialisieren, auch kaum anders möglich. Denn im Wissenschaftsbereich setzen auch die kleinen Länder auf die gesamte disziplinäre Breite und decken alle Wissenschaftsfelder ab. Ebenfalls eher niedrig sind die Indikatorwerte im Bereich der Umsetzung von Wissen in Innovationen. Hier spielt unter anderem die insgesamt stärker auf kleine und mittlere Unternehmen ausgerichtete Wirtschaftsstruktur eine Rolle. Denn um Innovationen erfolgreich umzusetzen, ist es wichtig, sie weltweit zu vermarkten. Hier schneiden Länder, die über viele global agierende Konzerne verfügen, häufig besser ab. Eine Stärke der kleinen Volkswirtschaften mit sehr hohem Indexwert liegt – zumindest für einige der Länder – dagegen in der Nutzung von Innovationen für wirtschaftlichen Wohlstand.
Zwischen den sieben kleinen Volkswirtschaften mit sehr hohem Indexwert zeigen sich einige interessante Unterschiede. Irland schert aus dem allgemeinen Muster insofern aus, als es relativ wenig in die Schaffung von neuem Wissen investiert (abgesehen von der Ausweitung der Hochschulausbildung), dafür aber einen sehr hohen Wert bei der wirtschaftlichen Nutzung von Innovationen erreicht. Schweden fällt dagegen durch einen sehr niedrigen Wert bei der Diffusion von Wissen auf, während hier die Schweiz besonders stark ist. Singapur setzt sich innerhalb dieser Gruppe durch eine relativ gute Performance bei der Umsetzung von Wissen in Innovationen ab.
Zum Vergleich großer und kleiner Volkswirtschaften im Innovationsindikator
Kleine Volkswirtschaften können aufgrund ihrer begrenzten Ressourcen selten alle Güter herstellen, die in einem Land nachgefragt werden. Vielmehr müssen sie sich auf bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten konzentrieren, um für diese eine kritische Größe zu erreichen und ein ausdifferenziertes Ökosystem zu schaffen. Besitzen kleine Länder günstige Standortvoraussetzungen für innovative Aktivitäten – wie zum Beispiel eine leistungsfähige Wissenschaft oder eine gut ausgebildete Bevölkerung – liegt der Fokus besonders auf innovationsorientierten wirtschaftlichen Aktivitäten. Innerhalb dieser Spezialisierungsfelder werden deutlich mehr Güter produziert als im Land nachgefragt werden, was zu einer starken Exportorientierung in diesen Feldern führt. Gleichzeitig werden viele andere benötigte Güter importiert.
Große Volkswirtschaften weisen demgegenüber meist ein sehr breites Spektrum wirtschaftlicher Aktivitäten auf, weil das Produktionspotenzial ansonsten die globale Nachfrage übersteigt. Wollte die USA zum Beispiel einen Großteil ihrer wirtschaftlichen Ressourcen auf die Produktion von Spitzentechnikgütern wie Halbleitern oder Pharmazeutika konzentrieren, ergäbe dies eine Produktionsmenge weit über dem globalen Bedarf. Gleichzeitig ist die Nachfrage nach Basisgütern – von Nahrungsmitteln bis hin zu persönlichen Dienstleistungen – in großen Volkswirtschaften so hoch, dass ein überwiegender Import dieser Basisgüter unrealistisch ist. Deshalb weisen große Volkswirtschaften eine ausgeglichenere Wirtschaftsstruktur in Bezug auf sehr innovative und weniger innovative Aktivitäten auf als kleine Volkswirtschaften.
Im Ergebnis können in kleinen Volkswirtschaften die innovationsorientierten Aktivitäten einen wesentlich höheren Anteil an allen Aktivitäten ausmachen als in großen. Wenn man Indikatoren zur Messung der Innovationsleistung also an der Größe der untersuchten Volkswirtschaften normiert, schneiden kleine Länder oft deutlich besser ab als große – obwohl der absolute Innovationsbeitrag der kleinen Länder weit hinter den großen Volkswirtschaften zurückbleibt. In großen Volkswirtschaften konzentriert sich dagegen das Innovationsgeschehen oft stark auf bestimmte Teilräume mit besonders günstigen Voraussetzungen. Würden diese Teilräume gesondert betrachtet, würden sie oft eine deutlich höhere Innovationsfähigkeit als viele der innovationsstarken kleinen Volkswirtschaften aufweisen. Kombiniert mit anderen Teilräumen, die auf nichtinnovative Aktivitäten spezialisiert sind, ergibt sich im Mittel jedoch eine merklich geringere Maßzahl der Innovationsfähigkeit (siehe auch die Sonderauswertungen zu Kalifornien, Massachusetts, Baden-Württemberg und Sachsen).
Deutschland zweiter unter den großen Volkswirtschaften
Deutschland erreicht im Innovationsindikator 2024 den zwölften Platz und liegt damit unter den großen industrialisierten Volkswirtschaften hinter Südkorea an zweiter Stelle. Der Indexwert von Deutschland ist seit vielen Jahren weitgehend konstant und bewegt sich um etwa 45 Punkte, was ein insgesamt sehr stabiles Innovationssystem anzeigt. Allerdings kam es im Jahr 2022 zu einem Rückgang des Indikatorwerts auf 42 Punkte, dem 2023 ein leichter Anstieg auf 43 Punkte folgte. Die Stärke Deutschlands liegt dabei in einer relativ guten Performance in allen vier Teilprozessen der Entstehung und Nutzung von Innovationen, das heißt in einem ausbalancierten System. Den niedrigsten Wert zeigt Deutschland im Teilprozess der Umsetzung von Wissen in Innovationen. Hierfür sind unter anderem die ungünstige Fachkräftesituation, die niedrigen VC-Investitionen und eine im internationalen Vergleich geringe staatliche Unterstützung von FuE-Aktivitäten der Unternehmen verantwortlich.
Den höchsten Wert erreicht Deutschland im Teilprozess der Wissensgenerierung. Hierin spiegeln sich insbesondere die Anstrengungen der vergangenen zwei Jahrzehnte zur Erhöhung der FuE-Quote wider. Mit dem im Jahr 2017 erreichten Ziel, 3,0 Prozent des BIP in FuE zu investieren, und der Ausrufung einer neuen Zielmarke von 3,5 Prozent für das Jahr 2025 lag und liegt ein wesentlicher Fokus der deutschen Innovationspolitik auf diesem Teilprozess. Mit der Einführung der steuerlichen FuE-Förderung (Forschungszulage) im Jahr 2020, die ab dem Wirtschaftsjahr 2022 erste Wirkungen entfaltet hat, wurde ein weiterer wichtiger Impuls zur Erhöhung der FuE-Ausgaben gesetzt.
Gleichzeitig hat die Innovationspolitik die Defizite in anderen Teilprozessen erkannt, insbesondere was die Diffusion und Umsetzung von neuen Forschungsergebnissen betrifft. Mit der 2023 neu im Aufbau befindlichen Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (DATI) sowie mit der bereits 2019 eingerichteten Bundesagentur für Sprunginnovation (SPRIN-D) existieren zwei neue Förderansätze, um den Wissens- und Technologietransfer in Deutschland sowie die Umsetzung von Ideen in wirtschaftlich erfolgreiche Innovationen zu stärken. Allerdings ist in Deutschland insgesamt in vielen Bereichen weiterhin ein Investitionsstau zu konstatieren. Die Investitionen in den Wissens- und den Kapitalstock waren und sind zu niedrig. Zwar sind die FuE-Aufwendungen in Relation zum BIP gestiegen und die genannten neuen Förderansätze versprechen neue Möglichkeiten. Gleichzeitig hat die öffentliche Hand – allen voran der Bund – in den vergangenen Jahren sein finanzielles Engagement real reduziert und die ehemals verabredete Aufteilung von zwei Dritteln privaten zu einem Drittel öffentlichen Ausgaben für Forschung und Entwicklung damit in Teilen untergraben. Was dies für die FuE-Quote in Deutschland insgesamt bedeutet, wird die Zukunft zeigen. In jedem Fall ist eine Reduktion der Investitionen in den Wissensstock in Zeiten, in denen immer mehr Länder in den Innovationswettbewerb einsteigen, die falsche Reaktion.
Deutschland verliert im internationalen Innovationswettlauf weiter an Dynamik. «
Innovationsfähigkeit: gesamtranking der Volkswirtschaften
Rang 2005 2010 2015 2020 2023 1 Schweiz Schweiz Schweiz Schweiz Schweiz 2 Schweden Schweden Schweden Singapur Singapur 3 Finnland Dänemark Singapur Dänemark Dänemark 4 Dänemark Finnland Dänemark Belgien Schweden 5 USA Singapur Irland Irland Irland 6 Norwegen USA Finnland Schweden Finnland 7 Niederlande Österreich Belgien Finnland Belgien 8 Österreich Irland Israel Niederlande Australien 9 Kanada Deutschland Niederlande Südkorea Niederlande 10 Belgien Niederlande Österreich Deutschland Österreich 11 Deutschland Belgien Deutschland Israel Südkorea 12 Grossbritannien Norwegen USA Norwegen Deutschland 13 Irland Kanada Südkorea Österreich Grossbritannien 14 Israel Israel Norwegen USA Israel 15 Singapur Frankreich Grossbritannien Grossbritannen Taiwan 16 Australien Südkorea Kanada Australien Norwegen 17 Frankreich Grossbritannien Australien Kanada Kanada 18 Südkorea Australien Frankreich Frankreich USA 19 Japan Japan Spanien Taiwan Griechenland 20 Spanien Spanien Ungarn Spanien Spanien 21 Italien Taiwan Tschechien Ungarn Frankreich 22 Taiwan Ungarn Taiwan Italien Polen 23 Russland Russland Japan Griechenland Portugal 24 Tschechien Italien Portugal China Tschechien 25 Ungarn Tschechien Russland Tschechien China 26 Griechenland Portugal Griechenland Portugal Italien 27 Südafrika Griechenland Italien Japan Ungarn 28 Türkei China Polen Polen Japan 29 Portugal Polen China Russland Mexiko 30 Polen Südafrika Türkei Türkei Türkei 31 China Indonesien Brasilien Mexiko Indien 32 Indonesien Mexiko Mexiko Südafrika Brasilien 33 Mexiko Türkei Südafrika Indien Südafrika 34 Brasilien Brasilien Indien Brasilien Russland 35 Indien Indien Indonesien Indonesien Indonesien Quelle: Innovationsindikator
Auch Infrastrukturinvestitionen bleiben in hohem Maße notwendig. Nicht nur Schienen, Straßen und Brücken, sondern auch Kommunikations-, Energie- oder Ladeinfrastrukturen müssen erneuert oder gänzlich neu aufgebaut werden. Insbesondere in Phasen der Transformation, wie sie die aktuellen gesellschaftlichen Herausforderungen erforderlich machen, entstehen massive Investitionsbedarfe. Diese sollte man nicht aufschieben, wenn man diese Transformationen ernsthaft angehen will.
Deutschland ist nicht die einzige große Volkswirtschaft, die eine relativ stabile Entwicklung der Innovationsperformance aufweist. Auch die USA, Japan und Frankreich zeichnen sich durch eher geringe Veränderungen ihrer Innovationsfähigkeit über die Zeit aus. Dies liegt zum einen daran, dass große Volkswirtschaften eine viel größere Zahl von Technologien und Innovationsthemen besetzen, sodass abrupte Veränderungen in einem Technologiebereich keinen starken Einfluss auf das Gesamtranking haben. Zum anderen müssen in großen Volkswirtschaften auch erheblich umfangreichere finanzielle und personelle Ressourcen verschoben werden, um die Innovationsleistung merklich zu verändern. Vor diesem Hintergrund ist die hohe Innovationsdynamik in Südkorea zwischen 2010 und 2015 bemerkenswert. In diesem Zeitraum hat das Land von seiner Strategie profitiert, sich stark in Richtung digitale Technologien und digitale Wirtschaft zu orientieren. Seit 2017 ist Südkorea die innovativste der großen Volkswirtschaften im Innovationsindikator. Nach einem deutlichen Einbruch im Jahr 2022 konnte das ostasiatische Land 2023 bereits wieder einen Anstieg verzeichnen. Südkorea punktet – so wie Deutschland – mit einem insgesamt ausgewogenen Innovationssystem. Ähnlich wie für Deutschland liegen die größeren Stärken im Bereich der Schaffung und Diffusion von Wissen, während die Umsetzung von Wissen in Innovationen auch in Südkorea der Teilprozess mit dem niedrigsten Indikatorwert ist.
Anders stellt sich die Dynamik der Innovationsfähigkeit für Großbritannien dar. Ausgehend von einem ähnlich hohen Innovationsindexwert wie Deutschland Mitte der 2000er-Jahre hat das Land vor allem seit der Finanzkrise 2007/08 deutlich an Innovationsfähigkeit verloren. Seit 2012 findet ein langsamer, aber stetiger Aufholprozess statt. Anders als in Deutschland und Südkorea liegt die Stärke Großbritanniens ganz klar im Bereich der Schaffung von Wissen und hier wiederum im sehr leistungsfähigen Wissenschaftssystem. Eher schwach ist dagegen die Innovationsfähigkeit im Bereich der Diffusion von Wissen und der wirtschaftlichen Nutzung von Innovationen. Auch für Frankreich lässt sich seit Ende der 2010er-Jahre ein steigender Trend beobachten. Hierfür sind unter anderem die hohen Investitionen des Staates in die Förderung von FuE in der Wirtschaft in Form steuerlicher Förderung verantwortlich. Schwachpunkte liegen dagegen in der Schaffung von neuem Wissen sowie in der wirtschaftlichen Nutzung von Innovationen. 2022 kam es aber zu einem sehr starken Rückgang des Indikatorwerts.
Die Stärke Deutschlands liegt in einer relativ guten Performance in allen vier Teilprozessen der Entstehung und Nutzung von Innovationen. «
In den USA fiel der Innovationsindexwert von Mitte der 2000er-Jahre bis Ende der 2010er-Jahre langsam, aber kontinuierlich. Erst in der jüngsten Zeit konnten die USA ihre Innovationsfähigkeit stabil halten. Diese Entwicklung passt auf den ersten Blick nicht mit der großen Dominanz der USA in der digitalen Ökonomie zusammen, wo US-amerikanische Unternehmen sowohl viele digitale Plattformen als auch die Technologieentwicklung im Bereich Mikroelektronik und Endgeräte wesentlich bestimmen. Allerdings ist zu bedenken, dass digitale Technologien, ebenso wie andere Technologiefelder, in denen die USA eine starke Stellung haben (wie Pharma/Biotechnologie oder Luft-/Raumfahrt), nur einen kleinen Ausschnitt der US-amerikanischen Volkswirtschaft darstellen. Gleichzeitig gibt es größere Technologiefelder, in denen sich die Position der USA im globalen Innovationswettbewerb tendenziell verschlechtert hat. Dazu zählen unter anderem die Chemie, der Maschinenbau und – trotz Tesla – der Automobilbau. Schließlich führt die gute Entwicklung des US-amerikanischen Binnenmarkts zu einem relativ starken Wachstum der Nachfrage nach Standardprodukten und einfachen Dienstleistungen. Dadurch reicht eine sehr hohe und sich positiv entwickelnde Innovationsfähigkeit in einzelnen Themenfeldern nicht aus, um die Volkswirtschaft als Ganzes auf ein deutlich höheres Innovationsniveau zu heben.
China ist die einzige große Volkswirtschaft, die eine sehr dynamische Entwicklung der Innovationsfähigkeit aufweist. Im Innovationsranking konnte China sich kontinuierlich verbessern und damit von den anderen Schwellenländern deutlich absetzen. Der zunächst sehr große Abstand zu den führenden großen Volkswirtschaften hat sich seit 2005 mehr als halbiert. Allerdings zeigt sich nach 2020 kein weiterer Zuwachs des Innovationsindexwerts, was jedoch durch die Corona-Krise und die extremen Abschottungsmaßnahmen in China erklärlich ist. Die Stärken Chinas liegen eindeutig auf der Inputseite des Innovationsprozesses, das heißt, es wird viel in das System investiert und entsprechend kommt ein durchaus hoher Innovationsoutput dabei heraus, allerdings bei vergleichsweise niedriger Produktivität. Dies zeigt jedoch auch, dass China in dieser Hinsicht noch viel Potenzial hat und daher auch in Zukunft weitere Fortschritte im Innovationssystem und damit auch eine bessere Position im internationalen Ranking erzielen kann. Im Teilprozess der Schaffung von Wissen erreicht China einen Indexwert von 45 und damit nur elf beziehungsweise zwölf Punkte weniger als Deutschland und die USA. Dahinter stehen stark steigende FuE-Ausgaben, die im Jahr 2022 bei knapp 2,5 Prozent des BIP liegen und damit deutlich über dem Niveau der EU (2,1 Prozent). Ebenfalls recht hoch ist der Indexwert im Bereich der Diffusion von Wissen (34 Punkte, das heißt gleichauf mit Großbritannien), wofür unter anderem intensive FuE-Kooperationen zwischen Wissenschaft und Wirtschaft verantwortlich sind.
Eine Sonderrolle nimmt Japan ein. Das Land liegt über den gesamten Betrachtungszeitraum deutlich hinter den übrigen großen Volkswirtschaften, ohne dass es zu einer merklichen Verbesserung oder Verschlechterung des Indexwerts kommt. Dies steht auf den ersten Blick im Widerspruch zu der starken Innovationsposition der japanischen Unternehmen in vielen Märkten und Technologiefeldern. Allerdings fußt diese Position auf Strukturen und Investitionen, die vor längerer Zeit entstanden sind beziehungsweise getätigt wurden. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der Wettbewerbssituation mit China die angestammten Technologiebereiche Japans wie Mikroelektronik oder Konsumelektronik besonders herausfordert. Japan fällt es zusehends schwer, seine starke Position der 1980er- und 1990er-Jahre zu halten (siehe auch das folgende Kapitel zu Schlüsseltechnologien). Bei den zukunftsorientierten Indikatoren wie zum Beispiel der Leistungsfähigkeit des Wissenschaftssystems, dem Fachkräfteangebot, der internationalen Ausrichtung des Innovationssystems, dem Wissensaustausch zwischen Wissenschaft und Wirtschaft oder den Wagniskapitalinvestitionen steht Japan schlecht da. Die Gefahr, die aus einem zu langen Beharren auf etablierten Strukturen resultiert, ist Japan durchaus bewusst. Allerdings hat das Land bislang keinen Ausweg aus dem Dilemma gefunden, in neue Technologiefelder zu investieren, ohne die Grundlagen des aktuell noch sehr hohen Wohlstands zu untergraben. Die geringe wirtschaftliche Dynamik in den vergangenen drei Jahrzehnten, der zunehmende Fachkräftemangel, aber auch stark hierarchische Entscheidungsmechanismen sowie eine gewisse Abschottungstendenz der japanischen Gesellschaft stellten und stellen schwierige Voraussetzungen für einen grundlegenden Wandel des japanischen Innovationssystems dar. Der Innovationsindikator zeigt, dass dieser Wandel weiterhin nicht in Gang gesetzt werden konnte.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung großer Volkswirtschaften
Innovations-Index großer Volkswirtschaften (2005–2023)
Deutschland
Südkorea
USA
Großbritannien
Frankreich
Japan
China
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Oberes Mittelfeld mit Trend zur Angleichung
Im oberen Mittelfeld des Innovationsindikators finden sich mehrere kleine und mittelgroße Volkswirtschaften, deren Innovationsfähigkeit auf einem sehr ähnlichen Niveau liegt. Betrachtet man die mittelfristige Entwicklung des Innovationsindikators für diese Ländergruppe, so fällt auf, dass sich die Innovationsfähigkeit im Zeitverlauf innerhalb dieser Gruppe merklich angeglichen hat. Dies liegt daran, dass die Gruppe zum einen Volkswirtschaften mit ansteigenden Trends umfasst, nämlich die Niederlande, Taiwan und Australien. Zum anderen zählt zu dieser Gruppe auch ein Land, dessen Innovationsleistung – von einem relativ hohen Niveau ausgehend – tendenziell rückläufig ist, nämlich Kanada. Schließlich befinden sich mit Norwegen, Österreich und Israel drei Länder im oberen Mittelfeld des Innovationsindikators, bei denen sich die Indexwerte in den vergangenen eineinhalb Jahrzehnten insgesamt nur wenig verändert haben.
Allen sieben Ländern in dieser Gruppe ist gemein, dass die Schaffung von neuem Wissen der Teilprozess mit dem höchsten Indexwert ist. Insofern ist das Innovationssystem dieser Länder nicht sehr ausgeglichen. Denn ein Indikator für einen guten Transfer ist, wenn sowohl bei der Schaffung als auch bei der Diffusion und der Umsetzung von Wissen mittlere bis hohe Werte erzielt werden. Besonders stark auf die Wissensgenerierung setzen Finnland, Australien, Österreich und Norwegen. Eher schwach ist in allen sieben Ländern die Performance im Bereich der Diffusion von Wissen. Bei der Umsetzung von Wissen in Innovationen zeigen sich größere Unterschiede. Kanada, Israel und Finnland erreichen hier höhere Indexwert, während Australien und Taiwan stark abfallen. Bei der wirtschaftlichen Nutzung von Innovationen zeichnen sich Israel und Norwegen durch relativ hohe Werte aus.
Im Fall von Kanada zeigt sich eine große Ambivalenz. Kanada hat eine Reihe von technologischen Schwerpunkten, bei denen es gerade in der Wissensproduktion und durchaus auch in der Umsetzung stark ist. Dazu gehört in Teilen die Materialforschung allgemein (beispielsweise Nanotechnologien) ebenso wie die Batterie- und Brennstoffzellenforschung oder einzelne Bereiche von Energietechnologien. Gleichzeitig schafft es Kanada jedoch nicht, in der Breite aus dem Mittelfeld der Innovationsländer herauszutreten.
Die Grenze zu den USA als weltweit größtem nationalen Markt für Hochtechnologien ist für Kanada Fluch und Segen zugleich. Durch die geografische und kulturelle Nähe zu den USA sind Ausrichtung auf und Zugang zum US-amerikanischen Markt gegeben. Allerdings gibt es auch eine Abwanderungstendenz von Technologiekompetenzen – in Form von qualifizierten Beschäftigten, geistigem Eigentum und auch Unternehmen – aus Kanada in die USA, die eine Konstanz des Innovationssystems erschweren. Bekannte Beispiele sind RIM (Blackberry) oder Nortel; in der jüngeren Vergangenheit ist eine Reihe von Unternehmen in der Frühphase ihrer Entwicklung in die USA abgewandert oder von US-amerikanischen Konzernen aufgekauft worden. Insgesamt ist die Innovationsperformance Kanadas zwar stabil, allerdings bei Veränderungen innerhalb des Systems. Es bleibt interessant, die weiteren Entwicklungen zu beobachten. Zuletzt waren die Anteile der FuE-Ausgaben am BIP (FuE-Quote) leicht rückläufig von einem Niveau aus, das mit ca. 1,7 Prozent bereits deutlich unterhalb des OECD-Durchschnitts von 2,7 Prozent lag. Eine Stärke bei der Umsetzung von Innovationen, wie sie Kanada hat, nutzt wenig, wenn es kein Wissen und keine Ideen zur Umsetzung gibt.
Kanada bietet sich – wie die unterschiedlichen Stärken in den Teilkomponenten des Innovationsindikators zeigen – als Partner für Deutschland in Wissenschaft und Technologie, aber auch als Standort für deutsche Unternehmen in Nordamerika an. Nicht nur das Handelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement, CETA) oder die institutionalisierte wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit (WTZ) zwischen Deutschland und Kanada sind Belege dieser Partnerschaften. Hierfür sind sowohl eine weiterhin bestehende größere kulturelle Nähe zu Europa als auch gemeinsame thematische Interessen und Kompetenzen förderlich.
China ist die einzige große volkswirtschaft, die eine sehr dynamische entwicklung AUFWEIST. «
Süd- und Mitteleuropäische Länder holen auf
Der Innovationsindikator bildet die Innovationsfähigkeit von sieben süd- und mitteleuropäischen Ländern ab. Für alle Länder zeigt sich ein deutlicher Aufholprozess und gleichzeitig eine Angleichung der Innovationsfähigkeit. Den stärksten Zuwachs im Zeitraum seit 2005 weist Polen auf, gefolgt von Portugal und Griechenland. Diese Länder konnten ihre Indexwerte von 15 Punkten und weniger in der zweiten Hälfte der 2000er-Jahre mehr als verdoppeln. Interessant ist, dass Griechenland und Polen im Jahr 2022 einen deutlichen Sprung nach oben machen konnten. Offenbar gelang es, nach dem Ende der Corona-Pandemie Wachstumsimpulse für das Innovationssystem zu setzen und gleichzeitig negative Rückwirkungen der Energiekrise und des Ukraine-Kriegs zu vermeiden. Weniger stark angestiegen ist die Innovationsfähigkeit von Tschechien, Ungarn und Spanien, die allerdings vor diesen Krisen von einem höheren Niveau gestartet waren. Italien weist über den gesamten Zeitraum betrachtet den niedrigsten Zuwachs auf. Allerdings konnte Italien den Abwärtstrend, der sich bis Anfang der 2010er-Jahre zeigte, stoppen und in eine positive Dynamik umkehren. Von 2011 bis 2020 hat sich der Indexwert Italiens um neun Punkte auf 29 Punkte verbessert und ging seither nur leicht zurück.
Die süd- und mitteleuropäischen Länder weisen im Vergleich zu den im Innovationsindikator weiter vorne liegenden Ländern eine deutlich andere Schwerpunktsetzung ihrer Innovationsfähigkeit auf. In den meisten Ländern liegt die Stärke im Bereich der Umsetzung von Wissen in Innovationen. Dabei dürfte es sich oft nicht nur um im Land selbst generiertes Wissen handeln, da die Performance bei der Schaffung von neuem Wissen deutlich schlechter und bei der Diffusion von Wissen in der Regel sehr gering ist. Für dieses Ergebnis könnten Investitionen aus dem Ausland – insbesondere im Bereich der Hochtechnologiesektoren – eine größere Rolle spielen. Diese sorgen für einen hohen Innovationsgrad im Bereich der Produktion und nutzen hierfür Wissen, das oft in anderen Ländern entstanden ist. Die Vernetzung dieses Teils der lokalen Wirtschaft mit den einheimischen Wissensproduzenten ist meist gering, was die niedrigen Werte bei der Diffusion von Wissen erklären kann. Die starke Umsetzungsperformance führt allerdings nicht zu entsprechend hohen wirtschaftlichen Erträgen aus Innovationen. Dies liegt primär daran, dass die über ausländische Investitionen entstandenen Hochtechnologieaktivitäten nur einen kleinen Teil der gesamten Volkswirtschaft repräsentieren. Zum anderen dürfte auch nur ein Teil der Innovationserträge im Land bleiben. Der Aufholprozess in dieser Ländergruppe zeigt aber auch, dass eine Weiterentwicklung in Richtung Innovationsfähigkeit auf Basis einer eigenständigen Wissensproduktion möglich ist. Vor allem die südeuropäischen Länder und Tschechien sind auf diesem Weg bereits weiter vorangeschritten, wie die relativ hohen Werte im Teilprozess Schaffung von Wissen belegen.
Innovationsfähigkeit: Entwicklung der süd- und mitteleuropäischen Volkswirtschaften
Innovations-Index der süd- und mitteleuropäischen Volkswirtschaften (2005–2023)
Spanien
Ungarn
Griechenland
Tschechien
Portugal
Italien
Polen
Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
Aktuell deutlicher Aufwärtstrend bei Schwellenländern
Am Ende des Rankings im Innovationsindikator liegen sieben Länder, die allesamt als Schwellenländer charakterisiert werden können, das heißt, in denen es einige global vernetzte und innovationsorientierte Aktivitäten gibt, der größere Teil der Volkswirtschaft sich aber noch im Prozess einer Ausrichtung auf wirtschaftliche Aktivitäten mit hohem Wertschöpfungspotenzial befindet. Diese sieben Länder wiesen lange Zeit keine einheitliche Entwicklung auf und zeigten auch keinen klaren Trend zu einer steigenden Innovationsfähigkeit. Ab etwa 2018 hat sich dies aber geändert. Seither konnten fast alle der erfassten Schwellenländer ihren Indexwert deutlich erhöhen und nähern sich der Gruppe der süd- und mitteleuropäischen Länder an. Am weitesten vorangeschritten ist dieser Prozess in der Türkei und in Mexiko. Mexiko konnte sich vor allem am aktuellen Rand sehr deutlich verbessern, nachdem zuvor einige Jahre mit wenig Fortschritten zu beobachten waren. Indien, Südafrika, Brasilien und Indonesien weisen im Jahr 2022 zum Teil sehr deutliche Zuwächse auf, allerdings von einem extrem niedrigen Ausgangsniveau. Bei allen sechs Ländern liegt der Schwerpunkt der Innovationsfähigkeit im Bereich der Umsetzung von Innovationen. Hierfür dürften neben Investitionen aus dem Ausland auch die Anstrengungen zum Aufbau eigenständiger Technologiesektoren eine Rolle spielen. In Brasilien, der Türkei und Mexiko konnte die Innovationsfähigkeit auch im Bereich der Wissensdiffusion verbessert werden, das heißt bei der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Südafrika ist innerhalb dieser Gruppe das Land, das am stärksten auf die Erweiterung der eigenen Wissensbasis setzt, und erreicht mit 26 Punkten einen vergleichsweise hohen Wert im Teilprozess der Schaffung neuen Wissens.
Ein Sonderfall in dieser Gruppe ist Russland. Das Land startete unter allen Schwellenländern, die im Innovationsindikator abgebildet sind, vom höchsten Niveau aus. Es konnte sich jedoch während des gesamten Betrachtungszeitraums nicht verbessern. Seit der ersten Hälfte der 2010er-Jahre ist die Innovationsfähigkeit tendenziell zurückgegangen. Im Jahr 2022 ging mit dem Angriffskrieg gegen die Ukraine der Indikatorwert stark zurück. Russland fiel hinter fast alle anderen Länder zurück und liegt seither gleichauf mit dem Schlusslicht im Innovationsindikator, Indonesien. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen, die von der Umstellung der russischen Wirtschaft auf eine Kriegswirtschaft, dem Abzug von ausländischen Investitionen sowie dem fehlenden Zugang zu westlichem Know-how auf die Innovationsfähigkeit Russlands ausgehen, in dieser Ausgabe des Innovationsindikators nur sehr unvollständig abgebildet sind.
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Die Referenzgruppe umfasst alle im Innovationsindikator abgebildeten Länder, für die zu möglichst vielen Einzelindikatoren Messwerte für möglichst viele Jahre vorliegen. Dies sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechien, USA.
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