-
Innovationsfähigkeit
empfehlungen
Internationalisierung unter veränderten Rahmenbedingungen
Die internationale Zusammenarbeit bei Forschung und Innovation ist ein wesentlicher Bestimmungsfaktor der Innovationsfähigkeit von Volkswirtschaften. Der Rückgriff auf das global vorhandene Wissen und die Verwertung dieses Wissens in möglichst vielen Regionen ist eine Voraussetzung, damit Forschung und Innovation in Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit umgesetzt werden können. Mit der Zunahme an internationalen Konflikten und einer stärker auf nationalstaatliche Abgrenzung ausgerichteten Wirtschafts- und Technologiepolitik in verschiedenen Ländern haben sich die Rahmenbedingungen für international offene Innovationsstrategien verschlechtert. Hierauf muss die deutsche Innovationspolitik in zweifacher Weise reagieren: Erstens müssen die Anstrengungen ausgeweitet werden, das deutsche Innovationssystem international offen zu halten und die internationale Vernetzung zu erhalten, zum Beispiel durch die Förderung internationaler Kooperationen. Dafür ist es immer auch notwendig, die Verlässlichkeit der Partnerschaften mitzuberücksichtigen. Zweitens muss sichergestellt werden, dass man in allen kritischen Bereichen der Volkswirtschaft eine eigenständige Technologiesouveränität in Deutschland erhält bzw., wenn notwendig, entwickelt.
Schwerpunktsetzung bei FuE-Finanzierung
Angesichts eines enger gewordenen Spielraums bei der staatlichen FuE-Finanzierung ist es wichtig, die zusätzlichen Mittel, die zum Erreichen des 3,5-Prozent-Ziels bereitgestellt werden, auf jene Bereiche zu fokussieren, die für die langfristige Innovationsfähigkeit Deutschlands und die anstehenden wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen von besonders großer Bedeutung sind. In der Wissenschaft bedeutet dies, den Mittelaufwuchs auf innovations- und transformationsrelevante Themen und Aktivitäten zu konzentrieren. In der Wirtschaft sollte neben der für mittelständische Unternehmen wichtigen „Breitenförderung“ (Forschungszulage) der Fokus auf die großen Transformationsthemen Energie, Nachhaltigkeit, Digitalisierung, Sicherheit und Gesundheit gelegt werden.
Finanzierung innovativer Start-ups
Für die Dynamik im Innovationssystem sind wachstumsorientierte Start-ups wichtig. Gerade in neu entstehenden Technologiefeldern, wie zum Beispiel der Künstlichen Intelligenz, gehen von ihnen viele Innovationsimpulse aus. Mit der Start-up-Strategie aus dem Jahr 2022 hat die Bundesregierung wichtige und richtige Schritte für Start-ups unternommen, die aufgrund der schwierigen gesamtwirtschaftlichen Situation jedoch erst zum Teil gegriffen haben. Hier ist eine konsequente und langfristige Fortsetzung, gerade in Bezug auf die Bereitstellung von Wagniskapital für die Wachstumsphase, notwendig. Gleichzeitig müssen die bestehenden EU-rechtlichen Hemmnisse bei der Einbeziehung von VC-finanzierten Start-ups in die Forschungsförderung sofort beseitigt werden. Aufgrund ihrer Kapitalstruktur gelten VC-finanzierte Start-ups aus Sicht der EU häufig als überschuldet und werden daher von Förderungen ausgeschlossen.
KMU-Sektor auf höheres Innovationsniveau heben
Die Innovationskraft Deutschlands beruht in hohem Maße auf großen, global tätigen Konzernen. Der KMU-Sektor leistet in Summe nur einen relativ kleinen Beitrag zu Forschung und Innovation. Um die Innovationstätigkeit breiter aufzustellen, ist es notwendig, dass mehr mittelständische Unternehmen ihre Geschäftsmodelle in Richtung Innovation, neue Technologien und globale Vermarktung ausrichten – und damit der Nachwuchs für das deutsche Erfolgsmodell der „Hidden Champions“ sichergestellt wird. Voraussetzung hierfür sind in der Regel eine kontinuierliche FuE-Tätigkeit und eine klare Internationalisierungsstrategie. Im FuE-Bereich wurde mit der steuerlichen FuE-Förderung (Forschungszulage) ein wichtiges neues Instrument geschaffen, das zunehmend genutzt wird, um mehr KMU zu kontinuierlichen und höheren FuE-Anstrengungen zu führen. Neben der finanziellen Förderung braucht es aber auch innovationsfreundliche Rahmenbedingungen in allen Technologiefeldern und Märkten. Die zwei wichtigsten Themen sind aktuell die Sicherstellung eines ausreichenden Fachkräfteangebots und der Abbau von Bürokratie, die durch ein an vielen Stellen unnötig dichtes und detailliertes Regelwerk erzeugt wird. Diese sind gleichzeitig wichtige Ansatzpunkte, um die Internationalisierung von KMU voranzutreiben. Darüber hinaus gilt es, KMU bei der Bearbeitung (neuer) Auslandsmärkte unter den schwierigeren welt- und handelspolitischen Bedingungen zu unterstützen, zum Beispiel durch umfangreichere Exportkreditgarantien.
Qualitäts- statt QuantitätsStrategie in der deutschen Wissenschaft
Das deutsche Wissenschaftssystem gehört in seiner Gänze nicht mehr zu den besten der Welt, sondern ist oberes Mittelmaß. Länder wie Singapur, Dänemark, Belgien, die Schweiz, die USA und auch Großbritannien haben wesentlich leistungsfähigere Wissenschaftssysteme, die auf Basis der einschlägigen wissenschaftlichen Indikatoren (Publikationen, Zitierungen, Wissenschaftspreise, Hochschulrankings etc.) besser bewertet sind. Außerdem zeigen verschiedene Untersuchungen, dass nicht der Durchschnitt des Systems, sondern die Spitzengruppe die Innovationsleistung einer Volkswirtschaft maßgeblich mitbestimmt, denn die radikalen und außergewöhnlichen Innovationen stammen eben meist nicht aus der breiten Masse, sondern entstehen aus wissenschaftlicher Exzellenz.
In Deutschland muss weiterhin in Wissenschaft und (öffentliche) Forschung investiert werden, um die Basis für die zukünftige Innovationsfähigkeit zu schaffen. Das BMBF sollte mehr Mittel erhalten, um die Pakte fortführen zu können und gleichzeitig in spezifischen Themen echte Schwerpunkte zu setzen, die kritische Masse und internationale Wettbewerbsfähigkeit zum Ziel haben.
Besonders wichtig ist es, Spitzenwissenschaft zu fördern und so spezifische Leuchttürme mit international vergleichbarer Exzellenz zu schaffen. Die Exzellenzinitiative ist hierzu viel zu kleinteilig angelegt und wird daher ihrem Namen nicht gerecht. Es gilt, ein Programm aufzulegen und entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen, damit einzelne Einrichtungen wirklich zur Weltspitze aufschließen können. Dies bedeutet eine Abkehr vom Gleichheitsgrundsatz in der deutschen Wissenschaftslandschaft und ein gezieltes Herausheben einzelner Einrichtungen aus der Masse. Dabei müssen gute Forschungs- und Lehrbedingungen aber in der Breite der Forschungslandschaft erhalten werden, das heißt, es müssen mehr Ressourcen im System verfügbar werden. Nur so kann sich Deutschland langfristig eine wettbewerbsfähige Wissensbasis sichern.
© BDI/Roland Berger 2024