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Innovationsfähigkeit
Innovationsfähigkeit von Regionen
Die Größe einer Volkswirtschaft hat großen Einfluss auf ihre wissenschaftliche und technologische Spezialisierung sowie auf die Innovationsorientierung. Kleinere Länder müssen sich letzten Endes spezialisieren, um Ressourcen und Kompetenzen zielgerichtet bündeln und damit effizient einsetzen zu können. Größere Länder haben hingegen die Möglichkeit, ein breites Profil zu pflegen und damit in vielen Bereichen eine kritische Masse zu erreichen. Umgekehrt ist es aber so, dass größere Einheiten auch heterogener sind, das heißt, bestimmte Aktivitäten sind in aller Regel regional konzentriert. Zwar ist Deutschland als Ganzes auf Automobil- oder Maschinenbau spezialisiert und nimmt eine international starke Rolle ein, diese ist aber nicht in allen Bundesländern oder Regionen im Land gleich hoch. Die Stärken in einzelnen Feldern sind häufig durch regionale Hochburgen – oft in Form von Clustern – begründet. Dies gilt dann aber auch in der umgekehrten Betrachtung, dass beispielsweise ein Land wie die USA zwar einige Hotspots beziehungsweise Leuchttürme vorweisen kann, die international bekannt sind und auch einen großen Einfluss auf die gesamte Wirtschafts- und Innovationsleistung der USA haben. Es bestehen aber eben nicht überall solche Hochburgen, sondern es gibt auch zahlreiche Regionen, die sich weitab der internationalen Spitze in Sachen Wissenschaft, Forschung und Innovation befinden. Um die Einordnung dieser Leuchttürme exemplarisch zu untersuchen, wurden jeweils zwei innovationsstarke Regionen aus Deutschland und den USA ausgewählt – Baden-Württemberg und Sachsen sowie Kalifornien und Massachusetts. Für diese Regionen wurden die Einzelindikatoren aus dem Bereich Innovationsfähigkeit erhoben und zu einem Kompositindex verdichtet, der anschließend in das Ranking der 35 im Innovationsindikator untersuchten Volkswirtschaften eingeordnet wurde.
Baden-Württemberg
Sachsen
Kalifornien
Massachusetts
Regionen besser als Länder
Baden-Württemberg und die beiden US-amerikanischen Staaten reihen sich jeweils oberhalb des jeweiligen nationalen Rangplatzes bei der Innovationsfähigkeit ein, Sachsen einen Platz hinter dem bundesdeutschen Wert. Wäre Baden-Württemberg eine eigene Volkswirtschaft, dann wäre sie weltweit auf Platz 4 hinter Dänemark und vor Schweden einzuordnen. Bis in die 2010er-Jahre hinein war das südwestliche Bundesland sogar auf dem dritten Platz angesiedelt – lediglich die Schweiz und Massachusetts lagen davor. Die Indexwerte für Baden-Württemberg waren in den 2010er-Jahren leicht rückläufig, erst in den Pandemiejahren 2021 bis 2023 konnte der Trend umgekehrt werden.
Baden-Württemberg ist besonders erfolgreich bei geistigen Eigentumsrechten (Patente, Marken), bei den FuE-Aufwendungen der Unternehmen – sowohl internen als auch externen Aufwendungen – und bei der Humankapitalausstattung, wenngleich sich der Fachkräftemangel in den offenen Stellen und den akademisch ausgebildeten Beschäftigten niederschlägt. Dieser Bereich ist es denn auch, der für den rückläufigen Trend des Bundeslandes im internationalen Vergleichsranking wesentlich verantwortlich ist. Eine ungünstige demografische Situation, da eine Vielzahl an hoch qualifizierten Beschäftigten in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen wird, sowie sinkende Indexwerte trotz leicht steigender Anteile tertiär ausgebildeter Beschäftigter stellen Herausforderungen dar, um sowohl beim BIP pro Kopf als auch bei der Wertschöpfung das erreichte Niveau zu halten. Dies belegen unsere hier betrachteten Indikatoren durchaus eindrücklich.
Sachsen, als zweites deutsches Bundesland in der Untersuchung, hat eine positive Entwicklung genommen und konnte seinen Indexwert in den 2010er-Jahren schrittweise steigern. Es musste erst in den Jahren 2021 bis 2023 leichte Rückgänge hinnehmen. Sachsen liegt im aktuellen Ranking der 35 Volkswirtschaften und vier Regionen auf dem 16. Platz. Sachsen hat, dies belegen unsere Zahlen, ein sehr wettbewerbsfähiges Wissenschaftssystem, das auf Basis eines ausgeprägten öffentlichen Engagements in Sachen FuE viele und durchaus oft zitierte Veröffentlichungen, viele Patentanmeldungen aus der öffentlichen Forschung und beachtliche Transferleistungen hervorbringt. Der Unternehmenssektor gehört in der Breite hingegen nicht zur Weltspitze. Er kann zwar auf Indexwerte im mittleren Bereich bei den FuE-Ausgaben verweisen und auf Spitzenwerte beim Anteil der Wertschöpfung in der Hochtechnologie. Bei Patenten, Marken und auch der Produktivität liegen die Werte hingegen in der unteren Hälfte.
Die beiden Regionen in den USA stehen jeweils deutlich über dem nationalen Wert und belegen damit einerseits die große regionale Heterogenität innerhalb der USA und andererseits auch die Stärken der beiden untersuchten Bundestaaten, die häufig das Bild der USA im Ausland prägen. Massachusetts, das die Region Boston mit der Universität Harvard, der Boston University und dem MIT ebenso wie eine ganze Reihe von technologieorientierten Unternehmen beherbergt, liegt im weltweiten Vergleich, inklusive der vier betrachteten Regionen, auf dem siebten Platz. In unserer Untersuchung war Massachusetts bis zum Jahr 2017 auf dem zweiten Rang direkt hinter der Schweiz, hat dann aber kurz vor und während der Pandemie deutlich an Indexpunkten verloren und rangiert daher im Jahr 2023 hinter Baden-Württemberg, Schweden und Irland. Massachusetts kann dabei auf ein in allen Teilbereichen äußerst wettbewerbsfähiges Innovationssystem aufbauen, wenngleich bei der Humankapitalausstattung des Unternehmenssektors deutliche Herausforderungen erkennbar sind. Bei akademisch Beschäftigten und der demografischen Entwicklung rangieren die Indexwerte am unteren Ende. Sämtliche Indikatoren zu wissenschaftlichen Publikationen und der staatlichen FuE-Förderung in öffentlichen Forschungseinrichtungen liegen im weltweiten Vergleich an der Spitze. Daneben ist auch die Anzahl der Patentanmeldungen pro Kopf sehr hoch. Beim BIP pro Kopf und der Wertschöpfung in der Hochtechnologie liegen die Werte ebenfalls im vorderen Bereich.
Patentstarke Universitäten
Kalifornien, das mit 39 Millionen Einwohnern bevölkerungsreicher als ganz Skandinavien ist, beheimatet den in absoluten Zahlen patentstärksten Universitätsverbund der USA – die University of California –, unter anderem mit den Mitgliedern Berkeley und UCLA. Daneben finden sich hier die ausgründungsintensivste Forschungsorganisation weltweit, das California Institute of Technology (CalTech), die Universität Stanford und natürlich das Silicon Valley mit der mittlerweile geografisch weit darüber hinausreichenden Software- und Plattformindustrie. Während die USA in diesem erweiterten Ranking den 22. Platz einnehmen, findet sich Kalifornien deutlich weiter vorne auf dem 13. Rang. Allerdings ging es für den Westküstenstaat insbesondere während der 2010er-Jahre bisweilen abwärts: vom vierten Rang im Jahr 2006, knapp hinter Massachusetts und Baden-Württemberg, über den siebten Rang im Jahr 2015 auf den elften Rang in 2020. Im Jahr 2023 blieb es dann beim 13. Platz. Die Indexwerte hatten sich in den knapp zwei Dekaden der Beobachtungsperiode von etwas über 60 auf ca. 55 und zuletzt auf 45 verringert.
Die Stärken liegen weiterhin – wenngleich mit leicht sinkenden Indexwerten – bei der Qualität des wissenschaftlichen Outputs, den FuE-Aufwendungen der Wirtschaft, den Patentanmeldungen und der Wertschöpfung in der Hochtechnologie. Die wesentlichen Gründe für den Rückgang der Indexwerte und ein Abfallen im Ranking finden sich beim BIP pro Kopf, der Wertschöpfung im verarbeitenden Gewerbe und den Co-Publikationen von Wissenschaft und Wirtschaft.
Innovationsfähigkeit: Ranking der Regionen im Vergleich mit den Volkswirtschaften
1 Schweiz 71 2 Singapur 68 3 Dänemark 68 4 Baden-Württemberg 59 5 Schweden 58 6 Irland 55 7 Massachusetts 55 8 Finnland 52 9 Belgien 48 10 Australien 47 11 Niederlande 46 12 Österreich 45 13 Kalifornien 45 14 Südkorea 44 15 Deutschland 43 16 Sachsen 42 17 Grossbritannien 42 18 Israel 39 19 Taiwan 37 20 Norwegen 37 21 Kanada 36 22 USA 35 23 Griechenland 34 24 Spanien 32 25 Frankreich 31 26 Polen 30 27 Portugal 29 28 Tschechien 28 29 Kanada 28 30 Italien 27 31 Ungarn 26 32 Japan 25 33 Mexiko 21 34 Türkei 20 35 Indien 17 36 Brasilien 17 37 Südafrika 14 38 Russland 12 39 Indonesien 12 Quelle: Berechnungen des Fraunhofer-ISI
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