-
Methodik
das konzept hinter der studie
Methodik des Innovationsindikators
Seit dem vergangenen Jahr nimmt der Innovationsindikator stärker eine funktionale Perspektive ein, um die Veränderung von Innovationsprozessen und die Dynamik in den Systemen besser erfassen zu können. Außerdem werden so Faktoren und Technologien, die für die zukünftige Innovationsfähigkeit relevant sind, besser berücksichtigt. Mit der funktionalen Perspektive wird der Blick stärker auf die zu erfüllenden Funktionen und das Zusammenwirken von Akteursgruppen innerhalb der Innovationssysteme der Länder gerichtet. Durch diese Änderung sollen zum einen neuere wissenschaftliche Erkenntnisse im Bereich der Innovationssystemtheorie berücksichtigt werden. Zum anderen ermöglicht die funktionale Perspektive eine engere Verzahnung mit aktuellen Themen und Diskussionen der Innovationspolitik. Ein Vergleich der Leistungsfähigkeit der Länder in Hinsicht auf diese Funktionen ist damit der Gegenstand der durchgeführten Analysen.
Kompositindikatoren wie der Innovationsindikator basieren auf Zusammenfassungen von Einzelindikatoren, die für die Aggregation auf eine einheitliche Skala gebracht werden müssen. Im Innovationsindikator werden drei Funktionen von Innovationssystemen über drei getrennt voneinander berechnete Kompositindikatoren erfasst. Alle drei Funktionen werden als eigenständige Zielfunktionen empirisch erfasst und analysiert:
- Innovationen hervorbringen
- Zukunftsfelder durch Schlüsseltechnologien entwickeln
- Nachhaltig wirtschaften
Bei der Berechnung von Kompositindikatoren sind drei wesentliche Stufen zu durchlaufen, nämlich die Auswahl der Indikatoren (Selektion), die Normalisierung der Werte und die Aggregation der Einzelwerte zu einem Index.4
Auswahl der Indikatoren (Selektion)
Die Liste der verwendeten Einzelindikatoren für die Berechnung der Indexwerte der drei Funktionen sind in den jeweiligen Kapiteln zu finden. Die Einzelindikatoren wurden in einem dreistufigen Auswahlprozess festgelegt. Zunächst wurde eine Liste von Indikatoren erstellt, die in der konzeptionellen wissenschaftlichen Literatur zur Innovationsforschung sowie in der empirischen Innovationsindikatorik häufig herangezogen werden. Danach wurden die Indikatoren den Stufen im Innovationsprozess, von Inputs über Throughputs bis Outputs, zugeordnet und auf eine gleichmäßige Repräsentation der Stufen geachtet. Schließlich wurde eine statistische Analyse der Einzelindikatoren vorgenommen, um Einzelindikatoren mit einer hohen Aussagekraft und geringer Redundanz zu anderen Indikatoren zu identifizieren. Hierfür wurde auf Korrelations- und Faktorenanalysen zurückgegriffen. Indikatoren mit sehr geringer Abdeckung sowie großer Überlappung in der erklärten Varianz wurden aus dem Auswahlset entfernt, um im statistischen Sinn ein möglichst sparsames Modell zu erreichen.
Normalisierung
Die Normalisierung ist notwendig, um die Einzelindikatoren von ihren ursprünglichen Messeinheiten unabhängig zu machen und sie anschließend miteinander verrechnen zu können. Hierfür wird ein Indikatorwert eines Landes in Relation zum Indikatorwert einer Vergleichsgruppe gesetzt. Als Vergleichsgruppe dienen folgende Länder: Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Italien, Japan, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Schweden, Schweiz, Spanien, Tschechien, USA. Dabei wurden jene Länder ausgewählt, zu denen für fast alle Einzelindikatoren Messwerte für möglichst alle betrachteten Jahre vorliegen. Die Länder der Benchmark-Gruppe sollen stabile Werte beziehungsweise stabile Trends aufweisen, um eine Stabilität des Benchmarks über die Zeit sicherzustellen. Würde der Benchmark sich in jedem Jahr massiv ändern, dann würden sich auch die Werte der einzelnen Länder ändern, eventuell sogar ohne eine faktische Änderung der Originalwerte des betrachteten Landes. Aufschließende Länder oder auch Schwellenländer sind daher in der Benchmark-Gruppe nicht vertreten.
Für jeden der ausgewählten Einzelindikatoren bilden diese 19 Länder den Benchmark. Deren Indexwerte definieren jeweils die Reskalierungsspanne von null (minimaler Wert) und 100 (maximaler Wert).
Die Werte aller anderen Länder werden daran ausgerichtet, wobei Länder, die schlechter abschneiden als das schlechteste beziehungsweise besser als das beste Land in der Benchmark-Gruppe jeweils auf den minimalen (null) beziehungsweise maximalen Wert (100) gesetzt werden. Anders formuliert: Die Werte der Einzelindikatoren werden für Extremwerte außerhalb der Vergleichsgruppe der 19 Länder jeweils auf null oder auf 100 gekappt.
Aggregation
Die Aggregation der Einzelindikatoren ist für das jeweilige Ergebnis der Indizes von entscheidender Bedeutung. Im Innovationsindikator werden alle ausgewählten Einzelindikatoren mit demselben Gewicht berücksichtigt, das heißt, es gibt keine zusätzliche Gewichtung der einzelnen Indikatoren bei der Verrechnung. Innerhalb der drei Zielfunktionen werden also die jeweiligen Gesamtindikatoren als gleichgewichtete Mittelwerte aus den jeweiligen Einzelindikatoren berechnet. Der Grund für die Gleichgewichtung ist einerseits die einfachere Kommunizierbarkeit beziehungsweise Nachvollziehbarkeit. Andererseits stellt sowohl der theoretisch-konzeptionelle Rahmen als auch die empirisch geleitete Selektion der Einzelindikatoren sicher, dass nur für die jeweilige Funktion relevante Indikatoren berücksichtigt werden und dass gleichzeitig auch keine redundanten Indikatoren im Set vorhanden sind, sodass auch keine indirekte Gewichtung durch die Mehrfachabbildung einer Dimension mittels mehrerer Indikatoren, die das Gleiche messen, stattfindet.
Länderauswahl
Im Rahmen des Innovationsindikators wird eine Auswahl von 35 Ländern vergleichend analysiert. Die einbezogenen Länder umfassen dabei einerseits die etablierten Industrienationen, die eine hohe Innovationsorientierung aufweisen und im Allgemeinen auch einen intensiven Austausch von wissens- und technologieintensiven Gütern und Dienstleistungen auf den Weltmärkten betreiben. Andererseits sind auch aufstrebende Länder und „Schwellenländer“ in der Gruppe der untersuchten Volkswirtschaften enthalten. Diese umfassen zum einen die sogenannte BRICS-Gruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die nicht nur wegen ihrer derzeitigen oder erwarteten Dynamik, sondern auch wegen ihrer wirtschaftlichen Größe interessant für den internationalen Vergleich im Innovationsindikator sind. Zum anderen sind auch solche Länder enthalten, die entweder wissenschafts- oder innovationspolitisch nennenswerte Entwicklungsansprüche formuliert haben (beispielsweise mitteleuropäische Länder) beziehungsweise die durch ihre Bevölkerungszahl nennenswerte absolute Zahlen erwarten lassen (beispielsweise Indonesien, Türkei, Mexiko).
Hochrechnung der Jahreswerte am aktuellen Rand
Nicht für alle Indikatoren liegen statistische Daten bis zum aktuellen Berichtsjahr 2023 vor. Dies hat unterschiedliche Gründe. Bei Patenten gibt es beispielsweise eine 18-monatige Veröffentlichungsfrist. Manche Daten werden nicht jährlich erhoben und andere Statistiken brauchen schlichtweg länger für die Aufbereitung und die Bereitstellung als ein halbes Kalenderjahr, das heißt, Mitte eines Jahres sind die Daten des Vorjahres noch nicht verfügbar. Um dennoch ein möglichst aktuelles Bild der drei im Innovationsindikator betrachteten funktionalen Dimensionen abgeben zu können, wurden in diesem Jahr einzelne Rohdaten bis zum Jahr 2023 hochgerechnet beziehungsweise fortgeschrieben. Dabei kamen die folgenden Regeln zum Einsatz. Im Fall von Patentdaten wurden die Daten für 2022 anhand der in den Datenbanken verfügbaren Daten der ersten fünf Monate des Jahres 2022 pro Land und Feld/Technologie geschätzt und mit dem Anteil der Patentanmeldungen der ersten fünf Monate des Jahres 2021 an allen Patentanmeldungen des Jahres 2021 ins Verhältnis gesetzt. Die so errechneten Patentzahlen wurden dann für das Jahr 2023 fortgeschrieben. Datenreihen, die im Jahr 2021 oder früher enden, wurden mithilfe von zeitreihenanalytischen Verfahren um ein Jahr nach vorne geschätzt. Anschließend wurden die Daten bis zum Jahr 2023 fortgeschrieben. Für eine Reihe von Indikatoren lagen Daten bis zum Jahr 2023 vor und konnten direkt verwendet werden. Alle Indikatoren wurden entsprechend der oben genannten Verfahren normalisiert und aggregiert, sodass gegenüber dem im Frühjahr des Jahres 2023 erschienenen Innovationsindikator 2023, der Daten bis zum Jahr 2021 abgedeckt hatte, nun zusätzlich Analysen für die Jahre 2022 und 2023 bereitgestellt werden konnten. Während der Corona-Pandemie waren die Daten in den Statistiken in einigen Ländern außergewöhnlichen und bisweilen deutlichen Änderungen unterworfen. Dies ist der Grund, weshalb wir die zeitreihenanalytischen Verfahren lediglich für die Schätzung eines Jahres (2022) verwendet haben, denn bei starken Änderungen im Zeitverlauf steigt die Unsicherheit für längere Schätzreihen stark an. Dies wollten wir vermeiden. Dennoch sind einige der Indikatoren auf Basis von Schätzungen beziehungsweise Hochrechnungen zustande gekommen und können von den tatsächlichen Werten für das jeweilige Jahr, die künftig veröffentlicht werden, abweichen. Wir sind jedoch zuversichtlich, mit der gewählten Methode und unter den gegebenen Umständen, die bestmögliche Schätzung durchgeführt zu haben.
4
Siehe beispielsweise Nardo, M.; Saisana, M.; Saltelli, A.; Tarantola, S.; Hoffmann, A. & Giovanni, E. (2005): Handbook on Constructing Composite Indicators: Methodology and User Guide, OECD Statistics Working Paper STD/DOC(2005)3, Paris: OECD.
© BDI/Roland Berger 2024 - Innovationen hervorbringen