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Nachhaltigkeit
empfehlungen
Transparenz und Strategiefähigkeit der Innovations- und Technologiepolitik stärken
Innovations- und Technologiepolitik hat über die stärkere Missionsorientierung deutlich an Direktionalität gewonnen. Typisch ist dabei eine Multidimensionalität von Zielsetzungen, sodass neben wettbewerbspolitischen und ökonomischen Zielen auch nachhaltigkeitsorientierte Ziele eine große Rolle spielen. Insofern verbindet sich mit nachhaltigkeitsorientierter Technologie- und Innovationspolitik auch die Hoffnung einer „doppelten Rendite“ durch die Schaffung neuer Märkte bei einer gleichzeitigen Verbesserung im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens. Allerdings erfordert dies, dass wirtschaftliche und umweltbezogene Ziele sorgfältig gegeneinander abgewogen und in Einklang gebracht werden. Dies macht ein sehr hohes Maß an Strategiefähigkeit und Planung nötig. Auch stehen stärker gestaltende Politikansätze häufig vor der Herausforderung, dass politische Entscheidungen durch Partikularinteressen vereinnahmt werden. Dies gilt es zu verhindern. Zur Schaffung eines ausreichenden Maßes an Strategiefähigkeit muss die Organisation der Innovations- und Technologiepolitik fundamental neu gedacht werden. Ein wichtiger Ansatzpunkt ist insbesondere die Schaffung klarer und transparenter Zuständigkeiten in der Administration, um die Koordination von Politiken auch über Ressortgrenzen hinweg zu gewährleisten.
Derzeitig sind die Prozesse in der deutschen Innovations- und Technologiepolitik aber durch eine Zersplitterung der Verantwortlichkeiten gekennzeichnet. Dabei sind nicht nur eine oft unklare Ressortabgrenzung, sondern auch die Schaffung von neuen Organisationen und Agenturen mit oft eng abgegrenzten Tätigkeitsbereichen ein Problem. Dies macht politische Prozesse weniger transparent und erhöht dadurch die Gefahr einer politischen Vereinnahmung. Ferner führt dies häufig zu einer fehlenden strategischen Priorisierung und somit zu unterkritischer Ressourcenausstattung in den einzelnen Politikfeldern. Eine stärkere Konzentration der Ressourcen und Verantwortlichkeiten in der Innovations- und Technologiepolitik ist daher ein wichtiger Ansatzpunkt.
Stabile und verlässliche Rahmenbedingungen für die gesellschaftlichen Akteure schaffen
Gesellschaftliche Transformationsprozesse haben oft disruptive Elemente. Allerdings zeichnen sie sich wegen ihres systemischen Charakters auch durch lange Umsetzungszeiträume aus. Gleichzeitig erfordern sie konzertierte und hohe Investitionen der beteiligten Akteure, zum Beispiel der Wirtschaft, in die Erforschung und Implementierung neuer umweltfreundlicher Technologien. Eine wichtige Aufgabe der deutschen Innovationspolitik ist es, durch die Schaffung langfristiger, verlässlicher und vor allem stringenter Rahmenbedingungen zur Planungssicherheit beizutragen.
Die gilt besonders für Innovationen zum Klima- und Umweltschutz. Hier ist ein Zusammenwirken von Innovations-, Energie- und Umweltpolitik gefordert. In der Klimaproblematik kommt dem europäischen Emissionshandel und den verbindlichen Emissionszielen eine wichtige Funktion zu. Um Innovationswirkungen zu erzielen, sind die festgelegten Ziele und Emissionspfade verlässlich fortzuführen. Zum anderen kann Innovationswirkung von neuen Instrumenten wie den Ausschreibungen zum Europäischen Innovationsfonds (zum Beispiel zu energieintensiven Industrieprozessen) oder den in Deutschland bereits eingeführten Klimaschutzverträgen erwartet werden. Beide Instrumente verstetigen die Wirkung des Emissionshandels. In anderen Umweltpolitikbereichen ist es erforderlich, entsprechende Rahmenbedingungen erst noch zu schaffen bzw. anzupassen, so zum Beispiel bei der Novellierung der Abwasserabgabe und der Ausrichtung der Gewässerschutzpolitik auf neue Herausforderungen. Gleichzeitig müssen sektorale Koordinationsprobleme gelöst werden, wie sie typischerweise beim Aufbau von kostspieligen Infrastrukturen auftreten, die erst die Voraussetzung für eine breite Diffusion neuer technologischer Lösungen schaffen, aber ihrerseits eine klare Vorstellung erfordern, welche Technologien sich wie schnell durchsetzen werden. Typische Beispiele hierfür sind der Aufbau von Ladeinfrastrukturen oder von Wasserstoffnetzen. Hier muss die Politik dazu beitragen, durch die Etablierung von Verständigungs- und Abstimmungsprozessen und unterstützende Maßnahmen diese Koordinationsprobleme zu lösen.
Die Schaffung zirkulärer Geschäftsmodelle fördern
Die Innovationsförderung in der EU ist traditionell stark auf die Entwicklung neuer Technologien ausgerichtet. Unbestritten spielen neue, disruptive Technologien eine bedeutende Rolle bei der Bewältigung nachhaltigkeitsbezogener Herausforderungen. Allerdings verdeckt dieser Fokus die Tatsache, dass eine sozialökonomische Transformation der Wirtschaft häufig primär von der Entwicklung neuer zirkulärer Geschäftsmodelle abhängt. Diese Modelle können zwar auf neuen Technologien basieren, erfordern jedoch ebenso die Umgestaltung ganzer Wertschöpfungsketten. Ein besonders wichtiges Beispiel ist das Recycling von Rohstoffen, wie zum Beispiel seltenen Erden für die Batterieproduktion. Hierdurch können nicht nur Nachhaltigkeitsgewinne erzielt, sondern auch die Abhängigkeit von Rohstofflieferanten reduziert werden, was letztlich die Technologiesouveränität der heimischen Wirtschaft stärkt.
Die Forschung hat gezeigt, dass selbst die Nutzung vorhandener Technologien zur Erreichung eines höheren Niveaus an Nachhaltigkeit nicht einfach ist, da bestehende Geschäftsmodelle transformative Änderungen mindestens in der kurzen Frist oft ökonomisch unattraktiv erscheinen lassen. Um eine nachhaltigkeitsorientierte Transformation der Wirtschaft zu beschleunigen, sollten Förderprogramme breiter gefasst werden, um auch die Entstehung neuer zirkulärer Geschäftsmodelle zu fördern. Hierzu müssen die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.
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