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Schlüsseltechnologien
empfehlungen
Künstliche Intelligenz und digitale Plattformen als Enabler nutzen
Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) haben seit Langem als Querschnittstechnologien eine große Bedeutung in zahlreichen Branchen und Sektoren. Mit Künstlicher Intelligenz (KI) und auch plattformbasierten Geschäftsmodellen sind darauf aufbauende, neue Technologien und Anwendungen entstanden, denen ebenfalls eine weitreichende, disruptive und erfolgversprechende Bedeutung beigemessen wird. Deutschland steht bei IKT-Technologien eventuell besser da als sein Ruf und schneidet bei digitaler Hardware und digitaler Vernetzung im internationalen Vergleich unter den Top 10 ab. Die Grundlagen sind also vorhanden.
Bei KI ist es weniger entscheidend, die großen Sprachmodelle selbst bereitzustellen, solange verschiedene und spezifische Modelle unterschiedlicher Anbieter vorhanden sind. Heimische Anbieter sollten eher die Technologie beherrschen, erfolgreich darauf aufbauende innovative Lösungen entwickeln und am Markt platzieren können. Dabei ist es wichtig, einerseits die zielgerichtete Anwendung der KI in den jeweiligen eigenen Kontexten und Kompetenzen voranzutreiben. Andererseits kann KI in domänenspezifischen Kontexten durch eigenes Wissen erweitert, so eine Differenzierung der KI-Anwendung sichergestellt und dabei die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhöht werden. Allerdings sind gerade auch hierbei Datenverfügbarkeit und -bereitstellung wesentliche Hürden. Im wissenschaftlichen Bereich ist mit der Gründung des NFDI (Nationale Forschungsdateninfrastruktur) ein wichtiger Schritt gegangen worden. Die Industrie hat in Kooperation miteinander und mit der Wissenschaft die Entwicklung verschiedener, spezifischer Datenräume bzw. Datenökosysteme ins Visier genommen. Projekte wie Gaia-X, Catena-X, Manufacturing-X und auch Transfer-X sind gute Ansatzpunkte, die allerdings noch zu einem umfassenden Erfolg geführt werden müssen.
Bei digitalen Plattformen bestehen zwei wesentliche Herausforderungen. Einerseits ist die Interoperabilität von entscheidender Bedeutung, was unmittelbar zu der Schlussfolgerung führt, dass eine Fragmentierung in separate Lösungen vermieden werden muss. Andererseits müssen digitale Geschäftsmodelle entwickelt und umgesetzt werden. Dabei ist es entscheidend, nicht nur bestehende Geschäftsmodelle zu digitalisieren, sondern gänzlich neue Geschäftsmodelle auf digitaler Basis zu entwickeln.
Trennung zwischen ziviler und militärischer Forschung überdenken
Durch den russischen Überfall auf die Ukraine und die Zeitenwende im Bereich der Verteidigungspolitik rückt ein Thema an einen zentraleren Punkt auf der innovationspolitischen Agenda: der Dual Use von neuen Technologien für militärische und zivile Zwecke.
Es bestehen eine Reihe von Synergie- und Effizienzpotenzialen in Bezug auf die absehbar verstärkten Forschungsausgaben im Bereich Verteidigung. Die zunehmenden Aktivitäten in der Verteidigungsforschung sollten systematisch darauf geprüft werden, ob und inwieweit sie auch breiteren gesellschaftlichen und ökonomischen Nutzen über Spill-overs in Richtung ziviler Nutzung haben. Solchen Synergien stehen in Deutschland einige institutionelle und strukturelle Bedingungen entgegen. Während zum Beispiel in den USA DARPA die Verbindung systematisch verfolgt, hat in Deutschland SPRIN-D nicht diese Aufgabe. Außerdem ist in Deutschland die Durchlässigkeit der Verteidigungsforschung und der zivilen Forschung lediglich durch einzelne Institute innerhalb der Fraunhofer-Gesellschaft und des DLR institutionell verankert. Zudem hat die Anwendung der Zivilklausel in vielen Hochschulen einschränkende Wirkung. Gerade in Dual-Use-Bereichen mit Blick auf zivile Sicherheit wie der IT-Sicherheit oder dem Schutz kritischer Infrastrukturen werden hier wesentliche Potenziale nicht freigesetzt.
Um die möglichen Synergien zwischen Verteidigungs- und ziviler Forschung zu heben, bedarf es in Deutschland eines breiten wissenschaftspolitischen Diskurses über die institutionellen Rahmenbedingungen und in Teilen eines Kulturwandels. Ein solcher Diskurs umfasst die Anwendung der Zivilklauseln in zahlreichen deutschen Hochschulen sowie die in weiten Teilen bestehende systemische und organisatorische Trennung von ziviler und Verteidigungsforschung. Eine verbesserte organisatorische Durchlässigkeit, die es sowohl der Forschungsförderung als auch den Forschungsakteuren erlaubt, zivile wie auch Verteidigungsforschung durchzuführen, würde Dual-Use-Spill-overs und breitere Synergien zwischen ziviler und militärischer Forschung ermöglichen.
Europäischen Schulterschluss suchen
Deutschland ist für die umfassende Beforschung, Umsetzung und Diffusion der meisten Schlüsseltechnologien zu klein, um alleine eine ausreichende kritische Masse zu erzeugen. Kritische Masse bei der Forschung spielt unter anderem deswegen eine entscheidende Rolle, weil die Komplexität der gegenwärtigen Fragestellungen in vielen Bereichen enorm zugenommen hat und weil die Geschwindigkeit, mit der Ergebnisse erzielt werden, ein wesentlich entscheidenderes Kriterium des Erfolgs geworden ist. Neue Erkenntnisse erfordern große Investitionsbereitschaft und zu deren Umsetzung leistungsfähige Transferstrukturen. Leitmärkte sind mittlerweile vor allem größenabhängig, um schnell und zielgerichtet skalieren zu können.
Andere Länder – insbesondere USA und China – sind in vielen Fällen in der Lage und vor allem willens, massive Investitionen in Wissenschaft und Forschung zu tätigen. Deutschland kann daher nur erfolgreich sein, wenn innerhalb Europas der Schulterschluss gesucht wird und sowohl der Europäische Forschungsraum (ERA) als auch die Kooperation mit den Besten in Europa gesucht und unterstützt werden. Gleichzeitig sollte Deutschland bei Wissenschaft und Forschung eine stärkere Führungsrolle in Europa beanspruchen und so, gemeinsam mit anderen europäischen Partnern, die Forschungsagenda definieren. ERA bietet hierfür den geeigneten Rahmen. Daneben bilden europäische Wissenschafts- und Forschungskooperationen eine wesentliche Grundlage der technologischen Souveränität Deutschlands.
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