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Editorial

Sehr geehrte Leserin, sehr geehrter Leser,

wir stehen inmitten eines Epochenwandels: Unser wirtschaftlicher Erfolg in den vergangenen Jahrzehnten beruhte auf einem Globalisierungsmodell, das auf den Bretton-Woods-Institutionen basierte und von den USA als globale Schutzmacht unterstützt wurde. Mit dem Wandel der Globalisierung hin zu stärker regionalisierter Wertschöpfung und der Gefahr einer hegemonialen Spaltung der Weltwirtschaft geraten auch bewährte Innovationsansätze unter Druck. Zölle, Verlagerung von Wertschöpfung und hohe Unsicherheit erhöhen den Kostendruck in den Unternehmen. Und die begründete Ausweitung von Verteidigungsbudgets schränkt die finanziellen Spielräume der Regierungen ein.

Vor diesem Hintergrund nimmt der Innovationsindikator 2025 zwei neue Schwerpunktthemen in den Blick, die Effizienz und die Offenheit von Innovationssystemen. Die jeweiligen Analysen erlauben die Beantwortung von zwei entscheidenden Fragen: Wie effi­zient setzen Volkswirtschaften ihre Mittel zur Erzeugung und Kommerzialisierung neuen ­Wissens ein? Und wie stark setzen die Länder auf Austausch und Kooperation, um ihre Innovationskraft zu stärken?

Die Ergebnisse zeigen: Deutschland erzeugt neues Wissen effizient, ist aber bei dessen effizienter Kommerzialisierung, das heißt beim Transfer von Invention zur Innovation, deutlich weniger erfolgreich. Es bieten sich zahlreiche Stellschrauben an, die längst nicht alle Finanzmittel erfordern. So müssen bestehende Förderprogramme vor allem in ihren Prozessen beschleunigt werden, damit Unternehmen ihre Innovationen schneller in die Märkte bekommen. Transfer muss für Start-ups durch besser verfügbares Wagniskapital und einfachere Ausgründungsregeln erleichtert werden, während die große Zahl bestehender Unternehmen durch schnellere staatliche Prozesse und fokussiertere Förderprogramme unterstützt werden muss.

Gleichzeitig gerät Deutschlands Innovationssystem auch durch den stärkeren Fokus auf nationale Sicherheitsinteressen unter Druck. Denn Innovation hängt entscheidend von Kooperation und Zusammenarbeit zwischen Ländern ab. Die dazu nötige Offenheit gerät weltweit ins Wanken, und auch in Deutschland stellen sich verstärkt Fragen zur Forschungssicherheit und zur technologischen Souveränität. Bei allen berechtigten Sicherheitsbedenken ist klar: Deutschland muss weiterhin auf Offenheit und Austausch setzen, wenn wir den Anspruch auf Technologieführerschaft nicht aufgeben wollen. Konkret heißt das: die innereuropäischen Kooperationen durch einen stärkeren Binnenmarkt verbessern und gleichzeitig Partnerschaften außerhalb Europas aufbauen und stärken.

Denn eines zeigt die Gesamtauswertung der Innovationsfähigkeit deutlich: Deutschland zehrt von den Erfolgen der Vergangenheit. Wie im Vorjahr liegt Deutschland im internationalen Vergleich auf dem zwölften Platz. Das ist kein Grund zur Freude, vor allem mit Blick auf die Details. So fällt Deutschland bei der Innovationsleistung der Unternehmen zurück. Besonders betroffen sind Forschung und Entwicklung im Feld Digitalisierung.

Im Bereich Nachhaltigkeit verliert Deutschland hingegen deutlich und fällt von Rang 3 auf Rang 7. Die Gründe sind breit gefächert, lassen sich aber auf den Nenner bringen, dass Nachhaltigkeitsziele in jüngster Vergangenheit nicht ausreichend mit wirtschaftlichem Erfolg in Einklang gebracht werden konnten.

In Summe gilt für Deutschlands Innovationssystem das gleiche wie für die Gesamtwirtschaft: Die alten Erfolge werden in einem dynamischen Wettbewerbsumfeld immer weniger tragen. Wir müssen uns ändern: geringere Regelungsdichte, ein effizienter Staat, Investitionen in Innovation und digitale Technologien. Unsere Sicherheitsinteressen müssen wir selbstbewusst wahrnehmen. Und gleichzeitig mehr Pragmatismus bei internationalen Partnerschaften sowie ein stärkeres Commitment für einen europäischen Binnenmarkt an den Tag legen. Oder schlicht formuliert: Die Ärmel hochkrempeln und loslegen.

Peter Leibinger
Präsident, BDI
 

Stefan Schaible
Global Managing Partner, Roland Berger

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