Innovationsfähigkeit
Empfehlungen
Die weiterhin hohe Innovationsfähigkeit Deutschlands beruht auf einem ausdifferenzierten Innovationssystem. Seine Stärke ist zum einen die Schaffung und Diffusion von Wissen, die sich unter anderem in den hohen Forschungsausgaben von Unternehmen und Wissenschaft sowie einer starken Publikations- und Patentleistung widerspiegelt. Zum anderen profitiert Deutschland weiterhin von einer effektiven gesamtwirtschaftlichen Nutzung von Innovationen, etwa in Form einer hohen Produktivität, einer forschungsorientierten sektoralen Industriestruktur und hoher Außenhandelserfolge. Viele dieser gesamtwirtschaftlichen Beiträge des Innovationssystems beruhen jedoch auf vergangenen Innovationsanstrengungen. Aktuell liegt Deutschland bei der Umsetzung von Wissen und Forschungsergebnissen in neue Innovationen dagegen zurück.
Gleichzeitig stehen die deutsche Wirtschaft und Gesellschaft und damit auch das deutsche Innovationssystem vor großen neuen Herausforderungen. Die Einschränkungen im internationalen Handelssystem durch Zölle und eine zunehmend auf nationale Abschottung ausgerichtete Wirtschaftspolitik sowie internationale Konflikte und Kriege beeinträchtigen die Zukunftsperspektiven für Deutschland in besonderem Maße – da keine andere große Volkswirtschaft derart stark auf internationale Zusammenarbeit und offene Märkte angewiesen ist. Mit der Neubewertung der internationalen Sicherheitslage sind hohe Investitionen in die Fähigkeit zum Schutz der kritischen Infrastruktur und zur Abwehr möglicher Angriffe nötig. Und der fortschreitende Klimawandel erfordert umfassende Anpassungen in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft, wofür neue Technologien und Innovationen unerlässlich sind.
Vor diesem Hintergrund sind große zusätzliche Anstrengungen der Innovationspolitik notwendig.
Um die Umsetzung von Wissen in Innovationen voranzubringen, muss erstens die Zusammenarbeit zwischen Wirtschaft und Wissenschaft weiter ausgebaut werden. Das deutsche Innovationssystem ist hier insgesamt gut aufgestellt. Doch gerade bei neu aufkommenden Themenfeldern und Technologien fehlt es oft an einer raschen Kommerzialisierung und einer Skalierung von Innovationen innerhalb eines Ökosystems. Hierzu braucht es mehr Transferanreize in der Wissenschaft, Risikokapital und marktorientierte IP-Regelungen. Zweitens müssen für viele neue Themen und Technologien – von Sicherheitstechnologien bis zu Technologien zur Bewältigung des Klimawandels – zusätzliche Forschungs- und Innovationskapazitäten in Wirtschaft und Wissenschaft geschaffen werden. Hierfür können die Mittel eingesetzt werden, die zur Erreichung des 3,5-Prozent-Ziels bis 2030 benötigt werden. Im Bereich der Wirtschaft kann dies zum Beispiel über die öffentliche Beschaffung und staatliche FuE-Aufträge erfolgen. In der Wissenschaft sind Formate der langfristig orientierten Projekt- und Programmförderung angezeigt, um vorhandene Forschungskapazitäten und -strukturen neu auszurichten und Dual-Use-Ansätze zu forcieren.
Ein zweiter Aktionsbereich betrifft die Schaffung von Technologiesouveränität und Resilienz in einer sich wandelnden globalen Wirtschaft. Technologiesouveränität ist insbesondere bei jenen Themen gefährdet, zu denen Deutschland bisher auf internationale Arbeitsteilung gesetzt hat. Dies reicht von kritischen industriellen Vorprodukten wie Halbleitern oder Spezialmaterialien bis zu komplexen Technologien in Bereichen wie Automatisierung, Gesundheit, Raumfahrt, IT-Infrastruktur oder Energieversorgung. Um hier die benötigten Forschungs-, Innovations- und Produktionskapazitäten zu schaffen, muss europäisch gedacht und europaweit zusammengearbeitet werden. Dies kann im Rahmen von EU-Initiativen, wie dem Important Project of Common European Interest (IPCEI), sektorspezifischen Maßnahmen wie zum Beispiel dem Chips Act oder dem European Innovation Council erfolgen, aber auch bilateral mit anderen europäischen Ländern, um gemeinsame Stärken zu entwickeln und zu bündeln.
Das Innovationssystem muss insgesamt effizienter werden. Ein zentraler Hebel hierfür ist der Bürokratieabbau. Denn immer mehr Bürokratie hemmt zunehmend auch Forschung, Innovation und die Anwendung neuer Technologien. Dies reicht von aufwendigen Antragsverfahren über Berichtspflichten und Monitoring-Anforderungen bis zu detailverliebten Kontrollsystemen. Was häufig fehlt, ist eine flexible und praxisnahe Anwendung von Regelungen. Die Bundesregierung hat hierzu ein Innovationsfreiheitsgesetz angekündigt, das nun endlich implementiert werden muss. Dabei sollten auch weitere Rechtsbereiche wie das Gemeinnützigkeitsrecht, das Beihilferecht und das Wettbewerbsrecht in den Blick genommen werden, um im internationalen Wettbewerb eine agile Umsetzung von Wissen in Wettbewerbsfähigkeit zu unterstützen.